DER RUBEL ROLLT (FORTSETZUNG) | ||
In Stuttgart ging Deutsch-russische Investorenkonferenz zu Ende. Zu einem Höhepunkt dieser Treffen der hochkarätigen Staatsmänner und Geschäftsleute beider Länder wurde die Rede des Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Er stellte eine dynamische Entwicklung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen fest. Der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern habe sich im ersten Halbjahr um 16 Prozent gesteigert. "Die deutsch-russischen Beziehungen sind eine Erfolgsstory", sagte Schröder. Er fand Zustimmung von 400 Unternehmern, die sich auf der Konferenz in Stuttgart versammelten, um Möglichkeiten der Erweiterung der deutschen Investitionstätigkeit in Russland zu erörtern. Der Kanzler sagte weiter, Deutschland wolle die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland auf eine breitere Basis stellen. Dies erfordere aber eine stärkere Anbindung von mittelständischen Firmen aus Deutschland ans russische Geschäft. Nach den Äußerungen auf der Konferenz zu urteilen, sprach Schröder damit dem deutschen Mittelstand aus dem Herzen. Auch weil die derzeitige Wirtschaftsflaute gerade die mittelständischen Unternehmer gefährdet. Im Einklang mit den Ausführungen des deutschen Regierungschefs äußerte sich sein russischer Amtskollege, Michail Fradkow, auf der Konferenz in Stuttgart. Er sagte, Russland wolle den Aufbau mittelständischer Strukturen in Russland fördern. Das schafft eine gute Grundlage für wirtschaftliche Beziehungen zwischen Russland und Deutschland auf dieser Ebene. Auch sonst würde Russland alles tun, um den Investitionsprozess im Land weiter anzukurbeln. Dazu gehöre eine Verbesserung der Investitionsgesetze, aber auch eine Reform des russischen Bankensystems. Sowohl Schröder, als auch Fradkow sprachen sich für einen Ausbau der deutsch-russischen Zusammenarbeit im Energiesektor aus. Angesichts der immer deutlicher werdenden ungünstigen Einflüsse der Verknappung der Energieressourcen in der Welt, bietet diese Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft eine Perspektive der stabilen Energieversorgung. Einer, die von den nicht auszuschließenden weiteren Turbulenzen auf dem globalen Markt von Erdöl und Erdgas unabhängig ist . Gleichzeitig öffnen sich neue Absatzmöglichkeiten für die deutsche Industrie in Russland, da Deutschland zum Ausbau der Förderung und des Transports der Energieträger herangezogen wird. Die deutsch-russische Zusammenarbeit im Energiesektor hat allerdings in Deutschland nicht nur Befürworter. So machte eine Äußerung der CDU-Chefin, Angela Merkel, auf sich aufmerksam. Sie warnte vor der Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen, ließ aber im Unklaren, welche Alternative die deutsche Wirtschaft hat. Ist es denn die Abhängigkeit von den Lieferungen aus dem arabischen Raum, die, wie die Erfahrung zeigt, unter den sich zuspitzenden politischen und militärischen Auseinandersetzungen im Orient sehr stark leiden können? Eine
Warnung vor der Gefahr der Abhängigkeit
von den russischen Energielieferungen
sprach auch ein
Vertreter der Internationalen Energie-Agentur aus. Er
nannte allerdings die Alternative. Das sei der Verzicht auf den
von der deutschen Regierung 29.10.04 Mit einer Veranstaltung im Russischen Palais, Berlin, wurden die Wirtschaftstage des westsibirischen Gebiets Nowosibirsk in Deutschland eröffnet. Dem Gebiet Nowosibirsk kommt in Russland etwa die Bedeutung zu wie Bayern in Deutschland. Es ist ein Zentrum der modernen Industrie, der innovativen Wissenschaft, des pulsierenden Kulturlebens. Die Stadt Nowosibirsk selbst ist die drittgrößte Stadt in Russland. Trotzdem sind die hiesigen Unternehmer weit davon entfernt, im eigenen Saft schmoren zu wollen. Das wurde auf der im Russischen Haus zu Berlin abgehaltenen Pressekonferenz und am Abend desselben Tages bei der Eröffnungsveranstaltung der Wirtschaftstage im Russischen Palais Unter den Linden deutlich. Wie der Gouverneur des Gebietes, Viktor Tolokonskij, versicherte, sind ausländische Investoren, insbesondere diese aus Deutschland, in Nowosibirsk stets willkommen. „Unsere Türen stehen offen“, sagte er. „Die Unternehmer, die zu uns kommen, werden allseitig unterstützt“. Er hob die besondere Attraktivität Nowosibirsk als einen wichtigen Pfeiler der Brücke zwischen Europa und Asien. Wer hier Geschäfte im großen Stil tätigt, bezieht eine strategisch wichtige Position in einem riesigen, an Naturschätzen sehr reichen Raum mit hervorragenden Zukunftschancen. Das bestätigte auch der Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland, Wladimir Kotenew, der für das Gebiet ein besonderes Faible empfindet und im Sommer dieses Jahres Nowosibirsk besuchte. Die
bereits hier tätigen deutsche
Unternehmer äußerten sich über die Rahmenbedingungen der
wirtschaftlichen Tätigkeit in Nowosibirsk sehr zufrieden. Insbesondere
ein Vertreter der Firma VEKA aus Nordrhein – Westfalen,
Produzent von Baufertigteilen. Aufschlussreich war auch ein Bericht über
ein Unternehmen aus
Nowosibirsk , das den
deutschen Autoherstellern zuliefert. Positiv beurteilte das Geschäftsklima
in Sibirien ein Vertreter
der deutschen Commerzbank, die seit
zehn Jahren hier eine Repräsentanz
unterhält. Die Commerzbank unterstützte übrigens die
Wirtschaftstage von Nowosibirsk in Deutschland. Die jetzt in Deutschland weilenden Manager aus Nowosibirsk, fünfzig an der Zahl, besuchen außer Berlin auch Dresden, Stuttgart und Hannover. Die Wirtschaftstage fallen zeitlich mit einer Konferenz zusammen, die den deutschen Investition in ganz Russland gilt. Sie findet demnächst in Stuttgart statt. Hochkarätige Experten aus beiden Ländern werden hier über die Erweiterung der deutschen Investitionstätigkeit in Russland beraten. Darunter der russische Regierungschef Michail Fradkow . Eine Ansprache Bundeskanzlers Schröder ist angekündigt. Mit ihrer Investitionstätigkeit in Russland hat die deutsche Wirtschaft bereits alle Mitbewerber aus anderen Ländern hinter sich gelassen. Somit konnte sie sich bessere Chancen sichern, von dem schier unerschöpflichen russischen Markt und von den Lieferungen russischer Energieträger wie Erdöl und Erdgas zu profitieren. Die Wirtschaftstage des Gebiets Nowosibirsk in Deutschland verfestigen diesen Vorsprung der Deutschen. Zum gegenseitigen Vorteil beider, sowohl politisch, als auch wirtschaftlich immer enger kooperierender Länder. 26.10.04 In
Berlin wurde mitgeteilt,
dass die Bundesrepublik den Verkauf der ersten Tranche von russischen
Schulden gestartet hat. Das, was man in Deutschland russische Schulden nennt, sind zum größten Teil Schulden der gewesenen Sowjetunion. Als ihr Rechtsnachfolger übernahm Russland nach dem Zerfall der Union die Verpflichtung, die Gläubiger auszuzahlen. Vor Jahren, als sich die russischen Finanzen in einem schlimmen Zustand befanden, glaubten aber die internationalen Kreditgeber kaum an die Erfüllung dieser Verpflichtung. Jetzt ist die Situation ganz anders geworden. Russland gehört zu den wenigen Ländern der Welt mit ausgeprägt positiver Außenhandelsbilanz. Auch sein Haushalt weist einen starken Überhang von Einkünften gegenüber den Ausgaben aus. Kein Wunder, dass die russischen Verpflichtungen von den internationalen Finanziers als gute Geldanlage angesehen und begehrt sind. Es wäre selbstverständlich schöner, wenn sich Deutschland davon nicht trennen müsste. Aber es braucht flüssiges Geld, und zwar sofort. Deutschland braucht es, um den neuen Staatsetat zu finanzieren, dessen Defizit die vom Grundgesetz gezogene Grenze erreicht. So muss der deutsche Staat sein Tafelsilber verscherbeln, wie es so schön heißt. Und dazu gehören neuerdings auch die russischen Schuldverpflichtungen, die voraussichtlich wie warme Semmeln weggehen werden. Aus ihrem Verkauf an den internationalen Börsen hofft die Bundesregierung etwa zehn Milliarden Euro dem Staatssäckel zuführen zu können. Zwar deckt die Summe nicht das ganze Haushaltsdefizit, aber ist doch hoch genug, um der Bundesregierung aus der Patsche zu helfen. So profitieren die deutschen Staatsfinanzen davon, dass Russland wieder flüssig geworden ist und seine Schulden wie eh und je pünktlich bezahlt. Mit Zinsen und Zinseszinsen. Wenn man aber bedenkt, dass die Leidtragenden der finanziellen Schwierigkeiten des Bundes vor allem Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger sind, darf man wohl mit Genugtuung feststellen, dass der Handel mit russischen Schuldverpflichtungen die sozialen Leistungen des deutschen Staates absichern hilft und damit hoffentlich den sozial Schwachen in Deutschland zugute kommt. Wer hätte an diese Zusammenhänge gedacht, als westliche Experten dem russischen Staat die totale Pleite prophezeiten. Sie haben nie an die Erholung der russischen Ökonomie geglaubt, da sie nie an Russland überhaupt glaubten. Sie wollten seine inneren Reserven nicht sehen. Sie neigten dazu, vorübergehende, unerfreuliche Zustände an der Moskwa in die Zukunft zu extrapolieren. Den Denkfehler begingen sie leider
nicht das erste Mal. Sie sollten sich aber ins Stammbuch
schreiben, dass sich Russland im Laufe seiner schwierigen Geschichte
immer wieder aufrichten konnte. Auch wenn es am Ende zu sein schien. 2.7.04 SIE HABEN SCHWEIN. UND WAS FÜR EINS! Runetstimme eines Oppositionellen. Was für ein Schwein haben sie! Was für ein fettes Schwein. Diese Kerle, die bereits fünf Jahre lang das Land mit der Effizienz und Eleganz eines Elefanten im Porzellanladen regieren. Jetzt haben sie wieder Glück. Mit der Krise der Privatbanken. Sie ermöglicht dem nimmersatten Staat, die Privatbanken zu schlucken. Ohne sich auf die lange Prozedur einlassen zu müssen wie das Abwürgen von JUKOS. Glück muss man eben haben. Und die grauen Eminenzen aus dem Kreml haben es. Am Glück mangelt es ihnen nicht. Dafür aber an Intelligenz und Gewissen. Doch Bankkrise hin, Bankkrise her. Das ganze Leben auf dieser Erde gestaltet sich so, dass Russland wieder verstaatlicht wird. Sein neuer Chef darf wie beliebt im Lande schalten und walten. Stiege der Erdölpreis nicht zum Himmel, hätte Russland für den Krieg in Tschetschenien schon lange kein Geld mehr. Der Krieg wäre aus. Oder mindestens die Gefahr seiner Verbreitung. Aber der Erdölpreis ist hoch wie nie. Deshalb gibt es Geld für den Krieg. So wird er wachsen wie Unkraut unterm Regen. Was für ein Schwein haben sie! Und wenn das ganze Land zum Kriegsschauplatz wird, werden sie sagen, die Lage sei schwierig. Und dass sie deswegen mehr Vollmachten, mehr Militär, mehr Zensur brauchen. Dagegen wird kein Wort zu hören. Denn ein Wort ist nur dann zu hören, wenn es vom Fernsehschirm kommt. Das Fernsehen aber haben sie bereits in der Hand... Was für ein Schwein haben sie. Und was für ein Pech wir! Wir könnten den Krieg vermeiden. Und auch die Verstaatlichung der Privatbanken. Hätten sie das Schwein nicht. Und wir das Pech... Woran denken die Herren, wenn sie das Land vergewaltigen? Das weiß ich nicht. Aber sie möchten bitte daran denken, dass es auch mein Land ist. Vielleicht wollen sie mich und meinesgleichen bestrafen. Diejenigen, die das Maul aufreißen. Das hätte ich noch verstanden. Aber wofür müssen die Anderen büßen, die Ihnen wie Schafe folgen? Etwa dafür, dass sie wieder Schafe geworden sind? Aber auch sie werden einmal das Schweigen satt haben. Was dann? ... (Aus Gazeta.ru, gekürzt, von Ausfälligkeiten gesäubert, aber auch in dieser Fassung von den Holzpuppen nicht gutgeheißen). 15.7.04 WIE
RUSSLAND GEPLÜNDERT WURDE...
Verriet
der amerikanische Forscher russischer Herkunft, Dmitri Simes. Auf einer,
vom Rechnungshof in Moskau
veranstalteten Konferenz behauptete er, die in Russland tätigen USA-
Diplomaten besorgten den
vertraulichen Geldtransfer von den russischen Oligarchen
zu einigen Senatoren und Massenmedien der USA. Das Ziel der Übung:
die russische Führung mit Senatsresolutionen und
lancierten Presseberichten über ihre mangelnde Reformfreudigkeit
ständig zu traktieren. Damit sie, Gott behüte, die Oligarchen nicht
hindert, das Erbe der Staatswirtschaft der Sowjetunion für einen
Appel und ein Ei in die eigenen Taschen zu stecken.
Das
funktionierte. So konnte der Oligarch
Roman Abramowitsch in zehn Jahren sein Privatvermögen von Null auf 13,4
Milliarden USD bringen. Der russische Staatsetat dagegen erhielt von der
schiefgeleiteten Privatisierung der Staatswirtschaft nur zwei Drittel
von Abramowitschs Einkünften.
Dabei
ist er zwar der reichste, aber nur einer von mehreren Akteuren der
Privatisierung, unter den Russen als „прихватизация“
bitter verspottet. Vom Wort „прихватывать“,
das heißt „mitnehmen, was schlecht liegt“.
PS.
Um seine Einschätzung gebeten, äußerte sich der Chefökonom des
Konzerns „matrjoschka-online.de“, Iwan Matrjoschkin, Esq., höchst
indigniert über die unqualifizierten Angriffe gegen die russischen
Oligarchen. Sie tun, was sie können, um Russland den im Westen üblichen
Standards anzupassen, sagte
er. Dass dabei einige Privatpersonen reicher als der Staat
werden, liegt in der Natur der freien Marktwirtschaft. Auch in
Deutschland sei es nicht anders, behauptete er mit Bewunderung für sein
Aufenthaltsland.
22.4.04
LIEBE HOLZPUPPE, Euer Bundeskanzler, der in Moskau eintrifft, um mit unserem Präsidenten einige Fragen der deutsch-russischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu erörtern, ist nicht zu beneiden. Bei uns mit aller gebührenden Achtung begrüßt, wird er in der Heimat arg bedrängt. Von den politischen Rivalen, die ihm vorwerfen, er regiere das Land schlecht und es stecke deswegen in der Flaute. Von den Gewerkschaften, die sich als Anwälte der arbeitenden Menschen mehr profilieren möchten, um den Mitgliederschwund aufzufangen. Von den Koalitionspartnern... Dagegen steht sein Moskauer Gesprächpartner im Zenith der Volkgunst. Mehr als siebzig Prozent der Russen halten ihm die Treue- davon kann nicht nur BK Schröder, sondern jeder europäische Staats- und Regierungschef nur träumen. So wie jedes europäische Land, nicht nur Deutschland, von den russischen Wirtschaftswachstumsraten, zwei-drei Mal höher als im EU- Durchschnitt nur träumen kann. Und vom Überhang der Einkünfte im Staatsetat. Und vom positiven Saldo der Außenhandelsbilanz. Und, und, und... Stell Dir, Puppe, vor, nicht Herr Schröder, sondern Herr Putin würde mit dem unerfreulichen Hintergrund zum Treffen erscheinen müssen. Wie viel Häme und Arroganz würde da auf der deutschen Seite sein. Ich meine natürlich nur die Deutschen, die keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, die Brust zu schwellen und den Russen ihre germanische Überlegenheit unter die Nase zu reiben. Die Russen von der Sorte gibt es auch, aber eher als eine seltene Ausnahme. Eher schon ist ein Russe geneigt, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Jedenfalls kam keiner im Kreml auf den skurrilen Gedanken, Putin zu empfehlen, seinem Gast das russische Beispiel als Richtschnur der deutschen Politik aufzudrängen. Bei uns hat man den Ehrgeiz nicht, den anderen Völkern vorzuschreiben, was sie tun und was sie lassen sollen. Jedenfalls nicht nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die deshalb in der Isolation blieb, weil sie sich als weiser Lehrer aller Völker aufspielte. In Deutschland ist es leider etwas anders. Auch jetzt gibt es bei Euch Leute, die der Ansicht sind, wenn nicht am deutschen, dann am atlantischen Wesen soll die Welt genesen. Darin wurzeln die an die Russen immer wieder gerichteten Aufforderungen, sich endlich auf die europäischen Werte zu besinnen, meistens ohne die Werte genau zu definieren und erst recht ohne dabei zu bedenken, dass die Russen ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Wertvorstellungen haben dürfen. Wie jedes andere Volk. Mitunter
scheint es, dass man auf diese Weise den Minderwertigkeitskomplex überspielen
will, der in den Jahren der „Umerziehung“ entstand, als die
Amerikaner und die Engländer mit den Deutschen so umgingen, als wären
diese wie Wilde in einer Kolonie
und erst vor kurzem von den Bäumen runtergeklettert.
Der Vergleich kam übrigens nicht mir in den Sinn, sondern einem russischen Politiker, der sich beklagte, jedes Mal wenn er oder seine Kollegen nach Berlin kommen, würden sie hier einem Verhör unterzogen. Man fordere von ihnen Rechenschaft für Tschetschenien, für Jukos und vieles andere mehr. Und wenn sie sich darauf einlassen, höre man ihnen gar nicht zu, sondern setze ihren Argumenten die Litanei von den abendländischen Werten entgegen. Übrigens, als BK Schröder sich zur Moskauer Visite rüstete, haben ihm die Werteapostel zugesetzt, die Fragen den russischen Gesprächspartnern zu stellen, auch wenn es die Atmosphäre der wichtigen Verhandlungen über die Wirtschaft trüben sollte. So viel ich weiß, hat er abgewinkt. Mit Liebe aus Russland, Dein G.G., Moskau, 7.7.04. WIE GEHT ES DEN GELDSÄCKEN IN RUSSLAND? Ein Bericht der von Iwan Matrjoschkin, Esq., geleiteten Forschungsgruppe des Konzerns matrjoschka-online.de Die ersten russischen Dollarmilliardäre – ganze vier - gab es 1997. Inzwischen stehen 36 Milliardäre auf der Liste der reichsten Geschäftsleute Russlands. Man
sagt, die russischen Geldsäcke schockieren den Westen mit der Unart, sich
leicht von gewaltigen
Geldsummen zu trennen. Auch heißt es, die „neuen Russen“
diktieren die Preise für hochwertige Immobilien in London und
Saint-Tropez, für die längsten
Jachten und prunkvollsten Palais in den berühmtesten Winterkurorten. Aber in der Heimat gibt der russische Milliardär wenig Geld aus. Auch nicht in Moskau, wo das Leben kostspieliger ist als in der Provinz. Der
Markt für superteure Immobilien ist in Russland vorläufig noch
begrenzt. Und Erbpaläste
besitzen die russischen Milliardäre bis jetzt auch noch nicht, woher
auch. Ihre Eltern hausten in Baracken.
Nur der Milliardär Konstantin Borowoi, bis vor kurzem noch
Geldgeber der kommunistischen Partei, erwarb im Herbst vorigen Jahres für
15 Millionen Dollar in Moskau ein dreistöckiges Penthouse mit
Swimmingpool und Wintergarten, aber das ist eine Ausnahme.
Der Durchschnittspreis für Luxuswohnungen liegt in Moskau
bei fünf bis sieben Millionen Dollar.
Ein bisschen mehr kostet ein Sommersitz in der Moskauer Umgebung,
nämlich zehn Millionen Dollar – für russische Milliardäre Peanuts. Am schlimmsten zehren am ehrlich verdienten Geld der russischen Milliardäre großzügige, aber unvermeidliche Zuwendungen an die russischen Politiker und Beamten. Aber das sind keine Lebenskosten, das sind Betriebsausgaben. Viel wichtiger als alle anderen. Im Westen sind große Vermögen schnell von den Steuern aufgezehrt oder von den Erben durchgebracht. Die russischen Milliardäre der ersten Generation, die ihr Kapital in Steueroasen parken, haben mit den Finanzämtern kein großes Problem. Die Erben sind auch noch nicht herangewachsen und keine Playboys. Die Oligarchen werden also noch lange ihre Freude am Geld haben. PS von Iwan Matrjoschkin, Esq. Die abschließende Prognose geht davon aus, dass die russischen Dollarmilliardäre von meinen Freunden im Kreml nicht daran erinnert werden, dass Eigentum verpflichtet und das Teilen mit den Ärmeren die erste Pflicht eines Milliardärs ist. Aber der reichste Mann Russlands, Michail Chodorkowski, ist schon daran erinnert worden. Und sehr unsanft. Er sitzt hinter Gittern. In wenigen Tagen beginnt in Moskau sein Prozess. Dagegen haben die deutschen Milliardäre die Erkenntnisse, die den russischen Milliardären noch fehlen, schon lange verinnerlicht. Deswegen auch lebt es sich in meiner neuen Heimat ganz angenehm. Auch wenn man kein Milliardär ist, sondern nur die Stütze kriegt. Es gibt allerdings auch hier richtige Blutsauger. Wie der Kneiper meines Stammlokals „Sonnenschein“, Berlin, Prenzelberg. Hoffentlich wird seinem Treiben durch Eingriff des Herrn Bundeskanzlers ein Ende gesetzt. Wie dem des oben erwähnten Herrn Chodorkowski durch die Prinzipienfestigkeit von W.W. Putin. Die Gerechtigkeit soll überall triumphieren! Nicht nur in Russland! 15.5.04 DIE KOMMUNISTEN SIND NICHT ZU SPALTEN! Vor kurzem wurde in Moskau der Versuch gestartet, der sehr gemäßigten postkommunistischen Partei (KPRF) eine radikalere entgegenzusetzen. Also, eine Art „Kommunistische Plattform“ zu bilden, wie sie Sara Wagenknecht in der deutschen PDS seit langem führte. Allerdings haben junge Damen in der russischen Politik keine Chancen. So unternahmen den Versuch ältere Männer, die den langjährigen KPRF- Chef Gennadi Sjuganow stürzen wollten. Es gelang ihnen, einen alternativen Parteitag einzuberufen. Er tagte auf einem extra gemieteten Schiff der Moskauer Weißen Flotte, was dem ganzen Unternehmen einen romantischen Anstrich verlieh. Eine parallele Partei wurde gegründet. Der Wodka floss in Strömen. Auch weil ein Multimillionär die sich abzeichnende kommunistische Revolution sponserte. Die neue Kommunistische Partei musste aber vom Justizministerium Russlands das Plazet erhalten. Und dieser wurde ihr verweigert. Das besiegelte ihr Schicksal. Zwar meinte Iwan Matrjoschkin, Esq., in einer von uns gebrachten Lageanalyse, die ganze Intrige wäre vom Kreml eingefädelt. Weil Putin sich von der KPRF etwas gestört fühlte. Immerhin die einzige Partei in Russland mit einer, wenn auch stark verwässerten und widersprüchlichen Ideologie, einem landesweiten Apparat und einer beträchtlichen, wenn auch zur Hälfte geschrumpften Wählerschaft. Aber unser politischer Beobachter irrte sich. Schlimmer noch führte er auch unsere Leser in die Irre. Denn die KPRF mit Sjuaganow an der Spitze ist für die russischen Machthaber kein Störenfried, vielmehr ein willkommener Teil des Machsystems. Pflegeleicht, bindet sie dennoch jenen Teil der Bevölkerung ein, der sich etwas mehr soziale Gerechtigkeit im Lande wünscht. Wie die PDS in Deutschland es auch tut. Obwohl Sjuganow keineswegs ein Talkshowtyp wie Gregor Gysi ist. Eher ein grimmiger Klotz. Mit erhobener Faust a la Thälmann. Wie dem auch sei, fand also die Spaltung der KPRF nicht statt. Die Meuterei ist vorbei. Zur Zeit säubert Sjuganow seine Partei von „unzuverlässigen“ Elementen. Das Ganze erwies sich als Sturm im Wasserglas. Deshalb revidiert Iwan Matrjoschkin, Esq., seine Analyse. Aus der Kneipe „Sonnenschein“ in Prenzlauer Berg, Berlin, schickte er an die Zentrale unserer Holding eine neue. In dieser behauptet er, der Sieg der pflegeleichten „Kommunisten“ sei ein Pyrrhussieg. Als Beweis führt er ein Happening an, das eine Gruppe von jungen Männern aus der skandalumwitterten, radikalen „National- Bolschewistischen Partei Russlands“ (geführt vom pornographischen Schriftsteller Eduard Limonow) soeben in Moskau veranstaltet hat. Die jüngsten National- Bolschewiki ( zur Erinnerung: als Bolschewistisch bezeichnete sich der radikale Flügel der Sozialdemokratischen Partei Russlands, der 1917 in Russland die Macht eroberte), verschafften sich gewaltsam Eintritt ins Moskauer Gesundheitsministerium. Sie besetzten das Dienstzimmer des Ministers, schmissen seine Papiere aus dem Fenster, zertrampelten Putins Portraits und forderten laut den Rücktritt nicht nur des Gesundheitsministers, sondern auch des Staatschefs. Iwan Matrjoschkin, Esq., meint, das sei ein Symptom. Ohne legitime, wenn auch radikale Opposition läuft man die Gefahr einer Anarchie. Natürlich nicht in Deutschland, wo 1918 eine Revolution fast daran scheiterte, dass die Revolutionäre, die sich auf einem Bahnhofsperron versammeln wollten, sich nicht entschließen konnten, den Versammlungsort ohne Fahrkarte zu betreten. Und der Kartenverkäufer war halt nicht da. Es wäre schlimm, bemerkt vorsorglich I.M., Esq., würde Sara Wagenknecht mit Genossen der Residenz von Ulla Schmidt in Berlin auf dieselbe Weise wie die Limonow- Jünger in Moskau zusetzen wollen. Gottseidank aber besteht die Gefahr nicht. Auch weil die Miniausgabe von Rosa Luxemburg jetzt im Europäischen Parlament zu tun hat. Was aber wiederum Russland angeht, meint unser Allroundexperte, dass, solange der Ölweltmarktpreis hoch bleibt, bestehe nicht der geringste Grund, besorgt zu sein. Zwar messen die Russen den Einrittskarten weniger Bedeutung als die Deutschen bei, aber auch sie sind zu beschwichtigen. Die Frage ist nur, ob der Erdölpreis ewig so hoch bleibt? 4.08.04
WIE SITZT CHODORKOWSKI... In Moskau läuft eine Gerichtsverhandlung an, die den Blick der zivilisierten Welt fesselt. Auf der Anklagebank sitzen zwei Erdölmagnaten, einer riesigen Steuerhinterziehung beschuldigt. Michail Chodorkowski und Platon Lebedew. Unlängst brachten viele Blätter ein erschreckendes Bild: die JUKOS- Chefs hinter dicken Stahlstangen. In einem Käfig. Das Bild deprimierte den weiblichen Teil des matrjoschka-teams stark. Er ist nämlich für Menschlichkeit. Auch gegenüber den Steuerhinterziehern in Milliardenhöhe. Es gibt nichts, was das Hineinstecken eines Menschen in einen Tierkäfig rechtfertigt. Egal, wie er heißen mag: Saddam Hussein oder Michail Chodorkowski. Meinen die matrjoschka- Weiber im Unterschied zum brutalen Iwan Matrjoshkin, Esq., dem einzigen Mann im Team. Diese Konstellation erklärt, warum der soeben genannte Macho triumphierend einen Ausdruck aus dem Runet seinen weiblichen, ihn verabscheuenden Kolleginnen unter die Nase hielt. Dieser beschrieb die Haftbedingungen von Chodorkowski. Hier die Zusammenfassung: Chodorkowski sitzt im Moskauer Gefängnis „matrosskaja tischina“. Hier gibt es ein Gebäude für privilegierte Untersuchungshäftlinge. Ihre Zahl wird mit 173 angegeben. Das ist ein Staat im Staate. Denn hier gelten besondere Regelungen. Allerdings
sind die hiesigen „Apartments“
nicht ganz so wie Luxussuiten in den Fünfsternehotels. Die Wände
sind mit hässlicher
Ölfarbe bestrichen. Die Betten nicht aus Mahagoni. Aus Eisen. Billige
Zudecken. Keine seidene Wäsche. Die
sonstige Ausstattung ist
allerdings etwas anders als
die der gewöhnlichen Häftlinge in russischen Gefängnissen. So steht
in der gegenwärtigen
Behausung des Ölmagnaten ein
großer Fernseher der teuersten Marke. Auf dem Schreibtisch - ein gutes
Notebook. Daneben ein moderner
Kühlschrank. Darauf ein Stereosystem. Schlimm
ist dagegen, dass der Multimilliardär die Gefängnisordnung einhalten
muss. Um 6.00 aufstehen. 22.00 sich
zur Nachtruhe begeben. Die
Kammer selbst aufräumen. Beim Besuch eines Gefängniswärters
sich melden. Deshalb appellieren die matrjoschkas an den Kreml, dem prominenten Häftling eine Villa im Areal von „matrosskaja tischina“ bauen zu lassen. Mit einem Swimmingpool und ähnlichem Pipapo. Auf seine eigenen Kosten, selbstverständlich. Aber diese werden ihn hoffentlich nicht ruinieren. Sonst starten die mitleidigen matrjoschkas eine Sammlung in Deutschland zu seinen Gunsten. Hier gibt es ja mehr als genug großzügige Spender. Wenn es um einen Chodorkowski geht. Bleibt die Frage, was mit dem Raum zu tun, der frei wird. Die einhellige Meinung der Holzpuppen lautete : Herrn Iwan Matrjoschkin, Esq., dort unterbringen, damit man (frau) ihn endlich los ist. Den Macho. 13.7.04 Vor fünfzehn Jahren trat die Währungsunion zwischen der damaligen Bundesrepublik Deutschland und der damals noch existierenden Deutschen Demokratischen Republik in Kraft. Der Verfasser, der um diese Zeit in Ostberlin weilte, kann sich noch gut daran erinnern, mit welcher freudigen Aufregung die Ostberliner auf ihre erste D-Mark vor den Sparkassen warteten. Endlich mal richtiges Geld. Und was für eins. Das stabilste Geld in der Welt. Geld, das es ermöglicht, wenn man nur genug davon hat, alles in der Welt zu kaufen. Ohne Schlange stehen oder dem Verkäufer etwas zuschieben zu müssen, damit er das Gewünschte unter dem Ladentisch vorholt. Kein Vergleich mit den „Alu- Chips“ der DDR! Fünfzehn
Jahre später spricht hier niemand darüber. Dafür aber viel
über die Fehlentwicklungen und zerbrochenen Illusionen. Tatsächlich
ist es den Deutschen nicht gelungen, das Gefälle zwischen Ost und West
in ihrem Lande zu beseitigen. Die ostdeutsche Industrie, von der
staatswirtschaftlichen auf die marktwirtschaftliche Grundlage gestellt,
wofür eben die Währungsunion der erste Schritt war, ist leider nicht
zu einer blühenden Landschaft geworden. Eher schon bietet es das
deprimierende Bild eines
Organismus, der am Tropf hängt. Damit sind die westdeutschen
Transferleistungen gemeint. Würden diese aussetzen, wäre der sofortige
Exitus unvermeidlich.
Ab und zu wird hier versucht, die peinliche Situation mit dem schlimmen Erbe der DDR zu erklären. Daran darf man wohl zweifeln. Auch ohne sich in den Dschungel der Wirtschaftsanalysen begeben zu müssen. Denn die DDR mit ihrer bankrotten Wirtschaft rückt immer weiter in die Vergangenheit. Aber das Gefälle zwischen West und Ost in Deutschland wird größer. Jedenfalls, was die Wirtschaftsleistung betrifft. In diesem Zusammenhang meinen viele Ostdeutschen, sie würden in der Europäischen Union nicht gebraucht. Auch weil sie nach den Tarifen bezahlt werden müssen, die mehrfach höher liegen als diese in den neuen Ländern der Europäischen Union. Bemerkenswerterweise sind ihre Landsleute im Westen auch zunehmend beunruhigt. Die begonnene Abwanderung der westdeutschen Betriebe in den europäischen Osten signalisiert die Gefahr, die jener in Ostdeutschland nach der Währungsunion ähnlich ist. Sie heißt Deindustrialisierung. Schließlich wirken auch in der EU dieselben marktwirtschaftlichen Gesetze, die seinerzeit zum Absterben der Industrie Ostdeutschlands führten. Bleibt zu hoffen, dass Deutschland eine Lösung seiner Wirtschaftsprobleme findet. Diese Lösung muss nicht unbedingt nur auf die hochgelobte selbstheilende Kraft der Marktwirtschaft vertrauen. Vielleicht werden bei der Suche danach auch die russischen Erfahrungen berücksichtigt werden. Denn bekanntlich geht es in Russland aufwärts. Möglicherweise auch deswegen, weil hier der Staat aus der Rolle eines Nachtwächters herausgetreten ist und seit einiger Zeit etwas aktiver in die Wirtschaftsentwicklung eingreift. Aber mit dieser Überlegung sind wir wohl zu weit von dem eigentlichen Anlass dieses Berichtes weggekommen- dem fünfzehnjährigen Jahrestag der Einführung der D-Mark in Ostdeutschland. 28.6.04 Dreiviertel der berufstätigen Deutschen gehen einer Umfrage zufolge davon aus, dass sie ihren bisherigen Lebensstandard nicht halten können. Dabei geben die meisten der Globalisierung die Schuld. Wenn man über die in den weihnachtlichen Lichterschmuck getauchten Straßen der Berliner Stadtmitte wandelt, zweifelt man an der Richtigkeit der Umfrage des angesehenen Emnid- Instituts. Erst recht, wenn man in seinem Bericht liest, etwa zwei Drittel der Deutschen seien der Meinung, es würde Ihnen noch schlimmer gehen. Sie glauben, erst mit dem Anfang eines Verarmungsprozesses konfrontiert zu sein, was manche nicht daran hindert, teuere Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Jedenfalls sind die einschlägigen Geschäfte besser besucht als in den vorigen Jahren. Man würde sich wünschen, dass die Verarmung in Russland so aussieht wie die in Deutschland. Zwar gibt es in Russland möglicherweise mehr Dollarmilliardäre, aber beim Durchschnittseinkommen der Bevölkerung liegt es viel tiefer. Gewissermaßen ist das auch eine Folge der Globalisierung. In Russland hat sie dazu beigetragen, dass während der Wende von der verstaatlichten zur freien Marktwirtschaft vor fünfzehn Jahren die mächtige, wenn auch vom marktwirtschaftlichen Standpunkt her unrentable Industrie der Sowjetzeit gnadenlos geplündert wurde. Von eigenen und fremden Raubrittern. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein in Berlin geführtes Gespräch mit einem von der deutschen Regierung nach Moskau abkommandierten Wirtschaftsfachmann. Berater der russischen Regierung geworden, beschimpfte er die Geier, die aus den USA und anderen westlichen Ländern nach Russland in großen Scharen flogen, um sich auf Kosten des Landes gesundzustoßen. Ich gewann den Eindruck, dass der Mann dabei nicht nur an Russlands, sondern auch an Deutschlands Zukunft dachte. Ein leidenschaftlicher Anhänger der russisch-deutschen Wirtschaftskooperation, wollte er kein runtergekommenes Russland, sondern ein Russland, das auf Jahrzehnte hinaus ein gleichberechtigter und leistungsstarker Partner Deutschlands werden kann. Aber es schien, seine Ratschläge wurden in Moskau nicht erhört. Die damalige Jelzin- Administration stand unter dem Einfluss der sogenannten jungen Reformer. In Chikago ausgebildet und mit USA- Wirtschaftsclans verbunden, sahen sie Russlands Seligkeit im schrankenlosen Wirtschaftsliberalismus. Obwohl dieser einem wirtschaftlich Stärkeren Nutzen bringt. Russland gehörte in der Übergangsphase nicht dazu. Daran musste ich denken, als ich in einer hiesigen Analyse der Ergebnisse des Jahres 2004 in Russland bittere Klagen darüber las, dass die gegenwärtige russische Regierung ihre Kontrolle über die Wirtschaftsprozesse verstärkt. Es fehlt mir zwar an Überblick, um darüber zu urteilen, ob es stimmt. Aber daran, dass sich ein Land wehren muss, wenn seine Wirtschaft in falsche Hände zu geraten droht, ist wohl nicht zu zweifeln. In der besagten Analyse, die eine russische Expertin einer amerikanischen Stiftung für das deutsche Wirtschaftsbulletin verfertigt hat, wurde die Politik des Kremls als eine Gefahr für ausländische Investoren in Russland dargestellt. Aber es stimmt nicht. Jedenfalls sollen Geschäftsleute, wenn sie nicht an leichter Beute profitieren und Steuern hinterziehen, sondern ehrlich verdienen wollen, kaum eingeengt werden. Und jene in Deutschland, auf die es ankommt, scheinen dies zu verstehen. So kündigten Volkswagen und Siemens in diesen Tagen ihre neuen, umfangreichen Projekte in Russland an. Folgen ihnen andere, würde es vielleicht etwas dazu beitragen, dass der weihnachtliche Lichterschmuck mehr mit der Stimmung der Menschen harmoniert. Sowohl in Berlin, als auch in Moskau. 19.12.04 ZWISCHEN SCHOCK UND GELASSENHEITAuf diese Formel brachte ein Teilnehmer des Podiumsgesprächs in den Berliner Räumen der Deutschen Bank die Meinungen der deutschen Öffentlichkeit über die Ergebnisse der russischen Parlamentswahlen. Schockiert zeigten sich über das Scheitern der liberalen Parteien in Russland westliche Medien, Geschäftskreise dagegen, vor allem die unmittelbar betroffenen, das heißt die in Russland engagierten, blieben gelassen. Die Scheidungsgrenze zeigte sich deutlich auch im Podiumsgespräch selbst, veranstaltet von der Vereinigung deutscher und russischer Ökonomen „Dialog“, gesponsert von Daimler-Benz und einigen anderen deutschen Konzernen. So sprach der Moskauer Korrespondent der „Welt“ in einem dramatischen Tonfall darüber, dass sich Russland wiederum von den im Westen üblichen Spielregeln der Demokratie entfernte. Aus der Tatsache, dass der Kreml im Weißen Haus keine starke Opposition mehr zu erwarten hat, schlussfolgerte er die Schwächung des politischen Fundaments der freien Marktwirtschaft und in einem weiteren Gedankenflug auch die Gefährdung des Investitionsgeschäftes in Russland. Dabei führte er die skandalträchtige Affäre mit dem Ölkonzern JUKOS als Alarmzeichen an, die bekanntlich in der Verhaftung des schwerer Steuerhinterziehung beschuldigten Konzernchefs Michail Chodorkowski gipfelte. Obwohl der Warner seine Stimme nicht in der Wüste, sondern in einem dicht besetzten Konferenzsaal erhob, fand er wenig Echo. Andere Teilnehmer des Podiumsgesprächs (Vertreter der Moskauer Repräsentanzen der Weltbank, der Continental AG, der Vereinigung der deutschen privaten Bausparkassen u.a. ), vom Vorgehen gegen JUKOS alles andere als begeistert, taten nichtsdestoweniger die Affäre als Episode ab. Die Wogen würden sich glätten und schließlich siegt das Business as usual. Sogar besser „as usual“, da das Wählervotum die bevorstehende Wiederwahl Putins signalisiert, auf den Geschäftsleute große Stücke halten. Schließlich fallen in seine Amtszeit die Überwindung des Reformstaus, die Herabsetzung der Unternehmensbesteuerung, die Erleichterung des Gewinnstransfers, die Belebung des Immobilienmarktes und vieles andere, was gute Geschäfte verspricht. Da er den Provinzfürsten mehr Respekt gegenüber den Entscheidungen des Kremls abverlangte, ist das Geschäftsumfeld auch außerhalb der Metropolen viel besser geworden. Dagegen nehmen sich die gegenwärtigen Demokratiedefizite wie die Gleichschaltung der Fernsehprogramme, massive Beeinflussung der Wähler durch die Exekutive u.s.w. nicht sehr bedeutend aus. Man dürfe Russland nicht mit der westlichen Meßlatte messen. Das sei geschäftsschädigend. Nur eine hart durchgreifende Exekutive, deren Repräsentanten nicht unbedingt mit dem Gesetzbuch unterm Arm herumlaufen, kann in Russland die Sabotage der eigensinnigen Bürokratie brechen. Es wäre töricht, den liberalen Dogmen des Abendlandes die Interessen des Russlandgeschäfts zu opfern. Noch dazu in einer Zeit der weltweiten Flaute, die Russland anscheinend verschont. In Übereinstimmung mit dieser Erkenntnis stand die von den meisten Firmenvertretern zum Ausdruck gebrachte Absicht, das Engagement in Russland nicht nur nicht runterzufahren, sondern zu erweitern. Den Fuß in der Türspalte zu halten, genügt nicht mehr, jetzt gilt es, energisch hineinzugehen. Mögen die derzeitigen Dividenden noch bescheiden sein, die Zukunft werde die Risikobereitschaft belohnen. Russland ist groß und reich, auch wenn seine Reichtümer noch weitgehend brach liegen. Es verfügt über hoch qualifizierte, aber billige Arbeitskräfte. Da Putin sich offensichtlich bemüht, die Einkünfte der Bevölkerung zu heben, darf man getrost auf die Erweiterung des russischen Marktes spekulieren. In einem Russland, das aus dem Tal der Tränen hinauskommt, lautet die Devise, den Konkurrenten, insbesondere denen aus Übersee, den Vortritt streitig zu machen. Dahingehende Äußerungen wurden durch makroökonomische Daten untermauert. Mit Hinweisen auf Russlands Wirtschaftswachstum von 6,7 Prozent, drei bis vier Mal höher als der europäische Durchschnitt. Die abnehmende Kapitalflucht, die zwischen 2000 bis dato von 25 Milliarden USD auf 6,7 Milliarden USD pro Jahr zurückging. Die gestiegenen Gold- und Devisenrücklagen des Staates (ums Sechsfache seit 2000). Die rapide sinkende Außenverschuldung (auf 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also viel niedriger als in den meisten, sogar prosperierenden Ländern, von den USA schon gar nicht zu sprechen). Vor diesem Hintergrund verblassten die in Presseberichten immer wieder strapazierten, auch von den Teilnehmern des Podiumsgesprächs durchaus nicht verschwiegenen Troubles des deutschen Geschäftsalltags in Russland: die Korruption der Beamten, die Neigung der russischen Unternehmer zu Vertragsbrüchen, das unausgereifte Schlichtungswesen, die zweifelhafte Justiz. Diese Missstände sollten dennoch die Lust am Russlandgeschäft nicht verderben. Umso weniger, da ein gewiefter und kreativer deutscher Geschäftsmann durchaus Wege findet, die Riffe zu umschiffen. Insbesondere, wenn er zu den Geheimnissen der russischen Seele vorstößt. Das Publikum des Podiumsgesprächs, vorwiegend Studenten, die Wirtschaftswissenschaften mit Hinblick auf Russland oder Russistik mit Hinblick auf das Geschäft studieren, lauschte gespannt den Äußerungen, die sich von den einschlägigen Pressebeiträgen oder Professorenvorlesungen dem Inhalt und der Tendenz nach wesentlich unterschieden. 18.1.04 Am 30. Oktober 2003 um fünf Uhr abends wurden endlich Sinn und Zweck der viermonatigen Show mit dem Titel „Jagd auf JUKOS» klar. Die Staatsanwaltschaft befasste sich mit JUKOS, um den Konzern letztendlich zu verstaatlichen. Mit dieser dramatischen Feststellung leitete die Runet- Zeitung „Gazeta“.ru einen langen Bericht über die Sicherstellung der Aktien von JUKOS ein, dem viertgrößten Erdölkonzern der Welt, dessen Chef Michail Chodorkowski Steuerhinterziehung vorgeworfen wird und der jetzt in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis einsitzt. Um die Veröffentlichung des Berichtes auf unserer site gab es in unserem Team viel Streit. Denn der Störenfried Iwan Matrjoschkin, Esq., behauptete, Gazeta.ru berichte zu Gunsten der Oligarchen. Der ihm unterstellte Geheimdienst hätte herausgefunden, sie sei von den Neureichen finanziell abhängig. Daraufhin sagten die weiblichen Holzpuppen, er soll schweigen. Hätten die Oligarchen der Presseholding matrjoschka-online.de ein bisschen Geld angeboten, wäre er der erste gewesen, der das Angebot mit Handkuss angenommen hätte. Im dann folgenden Handgemenge zog Herr Matrjoschkin den kürzeren und entfernte sich in die Kneipe „Sonnenschein“, Berlin, Prenzlauer Berg. Der folgende Bericht, stark gekürzt und etwas geändert, konnte aber auf der site erscheinen. Lesen Sie bitte, was Gazeta.ru verzapfte:
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