DICHTER. (FORTSETZUNG)
Seit mehreren Jahren ist der Dichter Anton Pawlowitsch Tschechow (1860- 1904) der meistgespielte russische Bühnenautor und einer der meist verlegten russischen Autoren in Deutschland. In der Zeit um seinen hundertsten Todestag wurde besonders deutlich, wie und wofür sein Schaffen in Deutschland geschätzt wird.
Das hängt wohl nicht nur mit seiner großen Begabung als Erzähler und Dramatiker , sondern auch damit zusammen, dass seine Weltsicht den heutigen Deutschen, wie, übrigens, auch den Russen, sehr zusagt. Kein glühender Prediger wie Lew Tolstoi, kein leidenschaftlicher Erforscher der Laster und Tugenden des Menschen wie Fjodor Dostojewski- um die auch in Deutschland bekanntesten russischen Autoren aus seiner Zeit zu nennen, - zeichnete er sich durch Mitleid mit der Kreatur Mensch aus. So schrieb er eine Chronik seiner Zeit, die am besten mit dem russischen Wort «безвременье» zu bezeichnen ist, was nur sehr ungefähr mit dem deutschen „historische Zäsur“ wiedergegeben werden kann. Eine Chronik, in deren Mittelpunkt nicht die Mächtigen, sondern Liebende und Leidende standen. Nichts verabscheute er mehr als Selbstgerechtigkeit. Die Wohlerzogenheit, meinte der Krämersohn aus der Provinzstadt Taganrog am Schwarzen Meer, bestehe nicht darin, dass man keine Soßenflecke auf eine reine Tischdecke setzt, sondern darin, dass man nicht zur Kenntnis nimmt, wenn das Malheur einem anderen passiert...
Daran, dass das Leben durch große soziale und politische Würfe zum Positiven zu ändern ist, glaubte er nicht. Schon eher an die Pflicht eines Menschen, nicht an der Gesellschaft, sondern an sich selbst zu feilen. Er sah darin den einzig sinnvollen Beitrag zum Glück der gesamten Menschengattung.
Von allen Größen der russischen klassischen Dichtung des XIX. Jahrhunderts ist Tschechow derjenige, dessen Lebenseinstellung am Besten bei unseren Zeitgenossen ankommt.
So muss man den Honoratioren der badischen Stadt Badenweiler, wo Anton Tschechow am 15. Juli 1904, erst vierundvierzigjährig, seinem Leiden (die damals nicht kurierbare Tuberkulose) erlag, das feine Gespür für den Zeitgeist bescheinigen. Diese haben nämlich für einen würdigen Rahmen einer ganzen Menge von Veranstaltungen zu Tschechows 100. Todestag gesorgt. Sogar ein Platz vor dem Hotel, wo der Dichter fern der Heimat starb, wurde nach ihm benannt. Darauf eine Möwe als Anspielung auf das gleichnamige weltberühmte Bühnenstück Tschechows. Seinerzeit wurde der Vogel zum Maskottchen des berühmten Moskauer Künstlertheaters. Auf dessen Bühne spielte die deutschstämmige Ehefrau des Dichters, Olga Knipper.
Zu den Veranstaltungen in Badenweiler kamen viele Russen. Darunter Künstler, aber auch offizielle Persönlichkeiten wie der Kulturminister der Russischen Föderation und der russische Botschafter beim Europarat. Lesungen, Aufführungen, Konzerte dauern eine ganze Woche. Auch in Berlin treffen sich Tschechow- Verehrer.
Sein hundertster Todestag wurde zu einem Manifestation des Phänomens, das Goethe die Wahlverwandtschaft nannte, eine Verwandtschaft, die sich nicht auf der Zufälligkeit der Geburt, sondern auf einem innigen Verhältnis zweier Menschen gründet. Zweier Menschen, aber auch zweier Völker, die sich immer besser verstehen.
9.7.04
DIE RUSSEN ANTE PORTAS DER FRANKFURTER BUCHMESSE |
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Ein
Ästhet wird vielleicht die Nase rümpfen, aber die russischen
Veranstalter der Präsentation ihres Landes auf der Frankfurter Buchmesse
sorgen nicht nur dafür, dass die Besucher die zahlreich
vertretenen Verlage, Bücher und Autoren aus
Russland kennen
lernen, sondern auch ihren Spaß haben. An der Spitze des Angebots steht
ein Wettbewerb, den das Organisationskomitee des russischen
Gastlandsauftritts ausgeschrieben hat. Sein Titel lautet "Ihre Frage
an die Kosmonauten!" Der Gewinner darf vom Gelände der Frankfurter
Buchmesse aus ein Live-Gespräch mit dem russischen Kosmonauten Jurij
Malentschenko und dem amerikanischen Astronauten Edward Lu führen, die
sich an Bord der Internationalen Raumstation ISS befinden.
Die Sieger des Wettbewerbes werden
in den nächsten Tagen
in Moskau von einer Jury unter Leitung des ehemaligen Kosmonauten
und jetzigen Rektors der Moskauer Universität für Geodäsie und
Kartografie, Viktor Sawinych, ermittelt und zur Frankfurter Buchmesse
eingeladen. Um das Gespräch zu ermöglichen, wird zwischen dem
Gastland-Pavillon und der Weltraumstation am Buchmesse-Samstag eine Bild-
und Funkverbindung geschaltet. Denn an diesem Tag wird die ISS ab 11 Uhr
in 268 Kilometern Höhe das Buchmessegelände überqueren. Wohl
weniger lustig, dafür aber informativer wird
es auf einem Treffen mit russischen Autoren in Köln zugehen. Am 3.
Oktober beginnt hier die lange Nacht der russischen Literatur. Zu den
Teilnehmern der Veranstaltung gehören
Die
Repräsentation Russlands auf
der Frankfurter Buchmesse flankieren auch andere, der russischen Literatur
gewidmete Veranstaltungen sowohl in der Messestadt selbst, als auch in
anderen Städten Deutschlands. |