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RUSSEN UND IHRE EHEMALIGEN BRUDERVÖLKER |
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Es geht um die Zitzen 2.Der zweite Balkan im Nordkaukasus? 3. Speck und Galuschki (Russland, Weissrussland, Ukraine) 4. Die lieben Nachbarn an der Ostsee. 6.Transkaukasien
WAS
IST LOS IN TURKMENIEN? Glaubt
man der Webseite der angesehenen Moskauer Zeitung „Izwestia“,
ist dort der Teufel los. Der Tonfall der Veröffentlichung im
Runet erinnert an
die deutsche Presse
vom August 1939. Sie
forderte damals den Einsatz
der Wehrmacht zum
„Schutz der verfolgten Volksdeutschen“ in Polen. Bekanntlich löste
der Einmarsch den
Zweiten Weltkrieg aus. Nun,
so schlimm wird es wohl nicht werden, schreibt unser Mitarbeiter
Iwan Matrjoschkin,
Esq., ein weltbekannter Kenner des Orients. Aber... Turkmenistan,
ein mittelasiatischer Nachfolgestaat der Sowjetunion, liegt am
Kaspischen Meer. In dieser Region, zu der auch der Iran gehört,
braut sich etwas zusammen. Iran
hat eine Menge Erdöl, Turkmenistan riesige Gasvorkommen. Dort
regiert ein gewisser Saparmurad Nijazow mit eiserner Hand. Der
ehemalige kommunistische Parteichef des Landes ist
wie andere seiner Zunft im Mittelasien nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion zum militanten Nationalisten mit
starkem islamistischen Einschlag geworden. Er nennt sich
Vater der Turkmenen (Turkmenbaschi) und seit kurzen auch
Prophet. Ob die Mullahs in Teheran ihn in dieser Funktion
akzeptieren? Wer
diesen bescheidenen und harmlosen Menschen besser heute als morgen
los haben oder mindestens einschüchtern will, schreibt
Izwestia.Ru nicht. Dafür beruft sich die Webseite auf den
Auslandssender „Deutsche Welle“, Köln- Bonn. Die DW soll als
erste die Kunde von den Verfolgungen der Russen in Turkmenistan in
die Welt gesetzt haben. Übrigens behaupten die russischen
Diplomaten in Turkmenistan, von den
Verfolgungen nichts bemerkt zu haben. Wem
glauben ?- Fragt
sich der Esquire und fasst sich an den Kopf. Bevor
er die Frage gelöst hat, bringen wir für Matrjoschka-Leser eine
etwas gekürzte deutsche Fassung des aufsehenerregenden Berichtes
von Izwestia. Ru.
Die
Russen werden erniedrigt und verhöhnt. Wo bleibt der Schutz? Wo
die Entschlossenheit? Also sind diese Leute ganz in meiner,
Turkmenbaschis, Macht, - verkündet
Nijazow. - Ich mache mit ihnen, was ich will. Nijazow
macht sich unverhohlen lustig über Russland.
Es gibt Dinge, die kann man nicht verzeihen. Es gibt
Erniedrigungen, die man nie vergisst.
DIE GROßZÜGIGKEIT DES TURKMENENVATERS Es geht selbstverständlich um den Diktator, im Vergleich zum gerade gestürzten Iraker ein Weisenkind. Saparmurat Nijasow, einst kommunistischer Parteichef in der turkmenischen Sowjetrepublik, jetzt guter Muslim und Präsident Turkmenistans auf Lebenszeit (seine goldenen Statuen stehen auf den Plätzen der Hauptstadt!), erstattete dem Kreml einen Besuch. Als Gastgeschenk brachte er ein Abkommen, das Russland bei der Ausbeutung von Erdgasvorkommen dieses Wüstenlandes zum Partner Turkmeniens macht. Eines Vorkommens, das so groß wie die Macht und der Ruhm des Vaters aller Turkmenen (Turkmenbaschi) in seinem Land ist. Also grenzenlos. Turkmenbaschi wurde im Kreml mit allen dazugehörenden Ehren empfangen. Leider ließ er etwas an europäischem Taktgefühl fehlen. Ohne die Eitelkeit der Beschenkten zu schonen, pries er sein Geschenk wie ein Orientale es zu tun pflegt. Den Wert schätzte er so um 300 Milliarden Dollar. 300 000 000 000 USD*. Dabei erwähnte er noch, dass er sich weniger Geld lässt, als er den Russen gibt. Nur die lausigen 200 Milliarden Dollar. 200 000 000 000 USD*. Vielleicht war der Gastgeber von so viel Spendierfreude des Gastes etwas benommen. Den anwesenden, sehr gründlich durchgesiebten russischen Journalisten fiel jedenfalls auf, dass Präsident Putin sehr leise sprach. Kaum zu hören. Wie dem auch sei, haben der russische und der turkmenische Präsident der Welt ein Beispiel der Friedfertigkeit präsentiert. Vor dem Hintergrund des Irakkrieges doppelt beeindruckend . Der russische Präsident erhielt das Erwünschte, ohne seine Bomber starten zu lassen und Phrasen über Demokratie und Rechtsstaat strapazieren zu müssen. Der turkmenische behielt seine Macht und ein paar Piepen. Wie hieß es mal in Berlin (Ost)? Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen? *Oder haben wir uns mit den Nullen verzählt? Zwar ist unser Pressekonzern sehr reich, aber doch nicht so, dass wir viel Erfahrung im Umgang mit Summen in dieser Größe haben. Leider nennen wir bis jetzt weder Erdgas noch Erdölvorkommen unser eigen. Vielleicht ändert es sich demnächst. Wenn Washington uns im Irak partizipieren lässt. Iwan Matrjoschkin, Esq. ,steht z.Z. in Verhandlungen mit Pawell und Ramsfeld. Per eMail. Er bittet die Leser um milde Gaben für die Reise nach Washington. Und für eine Nehmerkonferenz in seiner Stammkneipe: „Sonnenschein“ zu Prenzlauer Berg, Berlin. 11.4.03
EIN GENERAL LEGT LOS Korrekt muss es heißen, ein General- Oberst. Ein drei Sterne General. Leonid Iwaschow, viele Jahre für die internationale Kooperation der sowjetischen, dann russischen Streitkräfte zuständig. Vor kurzem wechselte er in den Ruhestand. Jetzt macht er Aufstand. Vorerst verbal. In der Militärpresse. Und im Runet. Der russischen politische Führung präsentiert er eine harte Rechnung. Der Innenpolitik schreibt er zu, Russland immer tiefer ins Tal der Tränen zu bringen. Mit weiterer Kriminalisierung des Landes, der zunehmenden Verelendung der Bevölkerung, der Zuspitzung von ethnischen und konfessionellen Gegensätzen. Dem Kreml fehle das Konzept zur Rettung des Vaterlandes. Heute wird so, morgen ganz anders entschieden. Je nachdem, welcher Flügel die Oberhand gewinnt. Und was das Ausland im Augenblick will. Wie ein Hahn auf dem Kirchenturm beim wechselnden Wind wechselt die Politik die Richtung ständig. Das sei zur Zeit die Hauptgefahr für Russland. An der äußeren Bedrohung fehlt es dem General auch nicht. Er sieht sie im Streben der USA nicht nur nach der führenden Rolle in der Weltgemeinschaft. Das wäre halb so schlimm. Aber die USA steuern einen Weltstaat mit der Befehlszentrale in Washington an. Mit Russland als Vasall, kein Partner. Leonid Iwaschow glaubt zu wissen, wie die Amis ans Ziel kommen wollen. Über die Beherrschung des euroasiatischen Kontinents. Er zitiert eine lange Reihe amerikanischer Geopolitiker des letzten Jahrhunderts. Bis Kissinger und Brzezinski. Sie alle hätten erkannt, wer den Kontinent beherrscht, hat die Welt in der Westentasche. Zur Zeit sei Washington dabei, Mittelasien zu kassieren. Unter dem Vorwand, bin Laden zu jagen. Und Russland spielt das üble Spiel mit. Indem es den Amerikanern die Stützpunkte in den ehemaligen sowjetischen Republiken des Mittelasiens gönnt. Anstatt die G.U.S. zu konsolidieren. Und die westlastige Bündnispolitik durch eine ausgewogenere abzulösen. Die vor allem China im Auge hat. Es fehlt in der weit ausholenden Anklage des Generals nur eins: der offene Aufruf zu einer Militärrevolte zur Rettung des Vaterlandes. Er vergisst wohl, dass um dem Kreml herum andere Hüter des Vaterlandes stehen. Auch mit Schulterstücken, bloß von anderer Farbe. Zuständig für die Abwehr selbsternannter Vaterlandsretter. Wer gewinnt die Partie- das Militär oder der Sicherheitsdienst? Leonid Iwaschow scheint von einer schlimmen Vorahnung geplagt zu sein. Die jüngsten Umbesetzungen an der Spitze der Streitkräfte, vor allem die Ernennung Sergei Iwanows, Experte für innere Sicherheit, zum Verteidigungsminister, quittiert er mit Kopfschütteln. Sieht er etwa Anzeichen einer nahenden Säuberung in den Streitkräften? Wie anno dazumal vor dem Zweiten Weltkrieg, als die Rote Armee geköpft wurde? Zwar konnte anschließend die deutsche Wehrmacht bis an die Wolga. Aber die aufsässigen Generäle kamen weg vom Fenster. Ins Jenseits. Ist es in Russland wieder so weit gekommen, dass es die Schwächung der eigenen Streitkräfte in Kauf nehmen muss, um sich vor einer Militärdiktatur zu retten? Ach was, meint, danach gefragt, der Sicherheitsexperte des matrjoschka- Konzerns, Iwan Matrjoschkin, Esq., Russland ist nicht Chile. Alles wird gut, будет, будет. Sprach und ging. In die nächste Eckkneipe. Nach NSN. 12. 03. 02. DIE
AMIS VERDRÄNGEN DIE RUSSEN AUS MITTELASIEN Washington
schlug Tadschikistan bei der Bewachung der Grenze zu Afghanistan
„technische Hilfe“ vor. Die tadschikische Regierung
nahm die Hilfe dankend an. Der
Clou: Die USA stießen damit in eine Nische, die bis jetzt Russland
vorbehalten war. Die Tadschiken können nämlich die mehr als 1400 km
lange Grenze nicht bewachen. Nach einem Vertrag mit Duschanbe übernahmen
die Russen die Grenzsicherung (11.000
Soldaten, darunter viele Tadschiken im russischen Dienst). Mit
orientalischen Sitten vertraut, hatten
sie u.a.. riesige Ladungen von Rauschgift aufspüren und beschlagnahmen
können. 2001 -sechstausend Tonnen. Wichtig, da Tadschikistan das Haupteinfallstor für afghanische, nach Europa strömende Drogen darstellt. Der
vermutlich jetzt eingeleitete Abzug der russischen Grenzer aus
Tadschikistan wirft ein Problem auf. Was wird mit den zahlreichen
Vierbeinern der Russen, den
besten Rauschgiftspürhunden der Welt? Werden sie mitgenommen? Deutsche
Kripo- Rauschgiftdezernate aufpassen! Vielleicht
kriegt ihr was davon ab! xxxxxxxx Zurück
zur Strategie des Westens in Mittelasien. Eigentlich
haben die USA in Tadschikistan bereits zwei Luftstützpunkte. Aber die Nähe
der russischen Truppen stört offensichtlich die Gäste. Deswegen wollen
sie,
dass die Tadschiken selbst die Grenze bewachen. Unter amerikanischer
Aufsicht, versteht sich. Was
die Tadschiken dabei denken, lässt sich leicht erraten. Wie vesti.ru
resigniert schreibt, erscheint ihnen das blanke USA- Gold attraktiver
als der rostige russische
(Waffen) Stahl“. xxxxxx Die
Verdrängung der Russen aus Tadschikistan (seit dem XIX. Jahrh.
unter russischer Obhut) begann etwa vor 15 Jahren. Ermuntert
durch die gut (vielleicht nicht immer?) gemeinten Appelle aus dem
Ausland an das
tadschikische, den Persern verwandte Volk, endlich das Schicksal in die
eigene Hand zu nehmen, wurden die tadschikischen Fundamentalisten aktiv.
Auch das klägliche Scheitern der russischen Intervention in
Afghanistan, durch die uneigennützige USA-Hilfe an die Taliban
herbeigeführt, erwies sich für
die Russen in Tadschikistan verhängnisvoll. Die Vertreibung der Russen
ging los. Die meisten wurden
aus Tadschikistan verjagt. Viele erschlagen. Alle ausgeraubt. Anschließend
geriet Tadschikistan in die Hölle eines Bürgerkrieges zwischen den gemäßigten und den aus Afghanistan angestachelten, radikalen Nationalisten. Jetzt
beginnt der Schlussakt. Die Einkassierung des strategisch wichtigen Ländchens durch seine wohlwollenden und spendablen Freunde aus Übersee. xxxxxx Die
Ankunft einer deutschen Voraustruppe im benachbarten Usbekistan, wo sich
die Amis bereits gemütlich
eingenistet haben, kommentiert das Runet
noch nicht. xxxxxx Unser
Experte Iwan Matrjoschkin, Esq., Willst
du etwa zum Islam konvertieren?
–fragte ihn die fromme matrjoschka xxxxxxxxxxx Daraufhin
bat ihn eine andere Matrjoschka Außerdem fehle ihm das Kleingeld für Anrufe nach Russland, da sich die Deutsche Telekom notorisch weigert, im Telefonverkehr mit seinem Herkunftsland günstige Tarife einzuführen. Wenn aber ihm, Matrjoschkin, eine kleine Spende aus der Kasse des Medienkonzerns „Matrjoschka-online“ gewährt würde, sei er bereit, den Auftrag anzunehmen. Aber die
matrjoschka xxxxxxx Das
matrjoschka-team hat sich vorgenommen, die Entwicklung im südlichen
Vorfeld Russlands weiterhin scharf
zu beobachten. Denn die rasante
Abwicklung einer ehemaligen Weltmacht ist faszinierend. Ein amüsantes
Schauspiel, das man nur einmal in tausend Jahren erlebt. In
der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik fand ein Treffen mit
Personen des öffentlichen Lebens aus drei mittelasiatischen Republiken
statt.. 2. DER ZWEITE BALKAN IM NORDKAUKASUS? Im Russischen Haus in Berlin fand ein repräsentatives Rundtischgespräch über die Lage in Tschetschenien statt. Die Aktualität des Themas wurde durch das jüngste grausame Attentat im tschetschenischen Ort Snamenskoje unter Beweis gestellt, dem mehr als ein halbes hundert Menschen zum Opfer fielen. Verständlicherweise nahmen die meisten Diskussionsteilnehmer, darunter hochgestellte Angehörige der tschetschenischen, gegenüber Moskau loyalen Administration und renommierte deutsche Experten aus dem Auswärtigen Amt und anderen Institutionen darauf Bezug. Zum Refrain der meisten Wortmeldungen gehörten nicht nur die Verurteilung der Terrorakte wie das Attentat in Snamenskoje, sondern auch Hinweise auf die Verbindung der Anschläge in Tschetschenien mit der weltweiten Offensive des Terrorismus. Einer Verbindung, die von den Kritikern des russischen Vorgehens in Tschetschenien nicht mehr geleugnet wird, auch wenn sie, wie das Rundtischgespräch zeigte, im Wesentlichen bei ihren Einwänden bleiben. So sahen die deutschen Experten die Wurzel des Übels im russischen Militäreinsatz in Tschetschenien und in den dabei begangenen Akten der Willkür. Sie drängten auf Verhandlungen mit den tschetschenischen Rebellen, die schon mehrere Jahre durch Terror die Loslösung Tschetscheniens von der russischen Föderation durchzusetzen versuchen. Die aus Tschetschenien gekommenen Politiker lehnten solche Verhandlungen ab. Sie hoben die traurigen Erfahrungen des langjährigen Bürgerkrieges hervor, der die meisten tschetschenischen Ortschaften zu Ruinen gemacht und der Bevölkerung unsägliches Leid gebracht hatte. Nach ihren Worten will das tschetschenische Volk keine mit einer Handvoll Desperados erzielten Lösung hinter seinem Rücken. Es gewinnt immer mehr Geschmack an der demokratischen Willensbekundung, was beim jüngsten Referendum über die neue tschetschenische Verfassung seinen Ausdruck fand. Die
tschetschenischen Gäste Berlins meinten, jetzt kommt es darauf an, den
eingeschlagenen Weg zu einer Zivilgesellschaft in Tschetschenien weiter
zu gehen. Es ist an der Zeit, die russischen Truppen in die Kasernen zu
bringen und die
Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung
an die tschetschenischen Ordnungskräfte zu delegieren. Moskau
ist dafür. Die ersten Schritte in diese Richtung
sind schon getan. Sonst
äußerten sich die Gäste aus Grosny
positiv über die finanzielle Hilfe aus Russland, die in
Tschetschenien Fortschritte im humanitären Bereich
ermöglicht. Das Schul- und Hochschulwesen ist wieder intakt.
Zwar sehr mühsam kommt auch Industrie und Landwirtschaft in Gang,
die Arbeitslosigkeit sinkt. Zustimmung fand der gemeinsame Appell der Urheber des Rundtischgesprächs, des Präsidentenberaters aus Moskau, des bekannten russischen Schriftstellers Pristawkin, und des Imams der Zentralen Moschee in Tschetschenien, Salamow. Ausgehend von den Grundsätzen der christlichen und der moslemischen Religion, plädierten sie für die Aussöhnung und Vergebung in Tschetschenien, für Gnade für die irregeführten Menschen, für die Einstellung der Feindseligkeiten und die Besinnung auf gute Traditionen des Zusammenlebens von Russen und den Stammvölkern im Kaukasus. Auf dieser Note endete das repräsentative Rundtischgespräch, das zwar, wenn überhaupt, nur einen Teil der Meinungsverschiedenheiten beheben, hoffentlich aber zum tieferem Verständnis des Problems in Deutschland beitragen konnte. 14.5.03
DIE
INTELLEKTUELLEN WEICHEIER STÖREN NICHT NUR IN DEN USA. In
Russland ist ein offener Brief führender Intellektueller des Landes veröffentlicht
worden. Am Vorabend der „Volksabstimmung“ in Tschetschenien*
appellieren sie an den Kreml, diese abzusetzen als
Finte. Was gebraucht wird, sei etwas ganz anderes. Ein echter Schritt zum Frieden im Bergland. Im
Brief heißt es: Der zweite tschetschenische Krieg dauert das vierte Jahr.
Tausende tote russische Soldaten, zehn Tausende friedliche Tschetschenen,
die Verwüstung Tschetscheniens sind die Folgen. Russland braucht das nicht. Die Gefahr des „Weltterrorismus“ hat damit auch
nichts zu tun. Unter
der Last des Krieges brach in Russland
die öffentliche Moral zusammen. Grenzenlose Gewaltanwendung wurde
zur Normalität. Kalaschnikow zur
Dialogsprache zwischen den Völkern. Die
imperiale Politik Russlands im Kaukasus ist gescheitert. Davon zeugt der
tschetschenische Terror. Russland
und Tschetschenien sind müde, den Krieg zu führen. Sie brauchen Frieden.
Die russische Seite verurteilt die Grausamkeit der Rebellen. Das ist
richtig. Aber sie muss selbst umdenken. Keine Barbarei mehr zuzulassen.
Keine Folter, keine Hinrichtungen,
keine Verfolgungen. Sie werben nur für den Separatismus. Die
große Mehrheit der Russen ist gegen die
Fortführung des Krieges und für Friedensverhandlungen. Die
Politik in Tschetschenien soll sich an den
humanistischen Traditionen der russischen Kultur messen lassen. Der
Staat das sind wir! Wir rufen die Landsleute auf, sich gegen den Krieg zu
erheben. Der
Friedensfreund der matrjoschka- online.de, Iwan Matrjoschkin, Esq., folgte
dem Appell. In der Kneipe „Sonnenschein“ zu Berlin, Prenzlauer
Berg, schlug er den Stammtischbrüdern
vor, ein Maß für den Frieden in Tschetschenien zu heben.
Ihrerseits ergänzten die Stammtischbrüder den Vorschlag. Sie traten
für den Frieden im Irak ein.** Mit zwei Maß Bier. So
wäre „Sonnenschein“ zum Knotenpunkt des weltweiten
Friedenskampfes geworden, hätte nicht der aufgeregte Matrjoschkin
dem Wirt vorgeworfen, getürkte Rechnungen zu präsentieren.
Daraufhin wurde er auf die Straße gesetzt, wo er allerdings weiterhin für
den Frieden im Irak und in Tschetschenien laut das Wort redete. Vielleicht
etwas zu laut. In der späten Stunde. Für
die Störung der Nachtruhe muss
er jetzt eine vom Ordnungsamt auferlegte Strafe zahlen. Er bittet alle
Friedensfreunde unter den
matrjoschka-Lesern um Unterstützung. Am besten sollen sie sofort auf den
Link „matrjoschka- Bibliothek“ (von der Startseite aus) gehen, wo sie
darüber aufgeklärt werden, wie das
zu tun ist. *Etwas
ausführlicher über das „Referendum“ in Tschetschenien lesen Sie
bitte auf dem Link
**Unsere
Stellungnahme zum Beginn der Kriegshandlungen gegen den Irak lesen Sie
bitte auf dem Link
20.3.03
DIE
VERLEUMDUNGEN EINES KOMMUNISTEN Viktor
Iljuchin, Duma-Abgeordneter, der durch seinen pathologischem Hass gegen
den Westen auch früher unangenehm aufgefallen war, schoss in einer
Pressekonferenz in Moskau den Vogel ab. Er beschuldigte westliche Länder,
die tschetschenischen Terroristen im Nordkaukasus weiterhin
zu unterstützen. Die türkische Regierung verleumdete er, den radikalen tschetschenischen Politikern
viel Geld zu gewähren und ihre Geheimdienstinfos
zur Verfügung zu stellen. Saudis und Pakistanis liefern angeblich
Kriegsgerät. Die USA und Großbritannien unterstützen im Nordkaukasus
die militantesten islamischen
Sekten. Sogar Israel nehme an der konzertierten Aktion teil, obwohl die
tschetschenischen Nationalisten stark antijüdisch sind. Auf
dem ehemaligen sowjetischen Gebiet
machte der Mann, der zweifelsohne Gespenster sieht, die Ukraine
und die baltischen Staaten als Gönner
Tschetscheniens aus. Damit
nicht genug. Um das Fass voll zu machen, beschuldigt Iljuchin viele
Staaten der siegreichen Antiterrorkoalition, die Taliban, die soeben
besiegt wurden, mit Geld und Waffen unterstützt zu haben. Nun,
das wollen wir hier gar nicht bringen, so unglaubwürdig ist es. Tatsachen,
oder vielmehr Verleumdungen, die dafür
gehalten werden sollen, führt Iljuchin nur in Bezug auf die
Ukraine an. Er behauptet, es existiere ein Pool von reichen und
einflussreichen ukrainischen (gleichzeitig israelischen) Bürgern, der großes Geld mit Waffenlieferungen an die Taliban verdient hätte.
Unter den aufgeführten Namen taucht Vadim Rabinowitsch auf, ein ehrwürdiger
Geschäftsmann, dessen Vita ein nicht weniger ehrwürdiger deutscher
Starautor Jürgen Roth zu Papier gebracht hat.
Das Buch wurde in Deutschland ediert. An der Vorstellung in einem
renommierten Berliner Literaturhaus war unser Kollege Iwan Matrjoschkin.
Esq., anwesend. Wir empfehlen dem Leser seine Reportage sehr (zu klicken ist die männliche
Puppe auf der Startseite).
Aber
zurück zum Spinner von der russischen Staatsduma. Iljuchin behauptet, Rabinowitsch (ausgerechnet ein
Rabinowitsch)und Co hätten den Taliban 150 Panzerwagen T-50 aus der
Ukraine geliefert. Und vieles andere mehr. Über Pakistan. Unsinn!
Und wenn nicht, dann sind die Panzer von Rabinowitschs amerikanischen
Freunden (in Berlin
verteilte er – sicherlich manipulierte-
Fotos, wo er mit Clinton und anderen
in trauter Gemeinschaft zu sehen ist) bereits total zerstört. Und
es besteht kein Zweifel daran, dass dem ukrainischen Präsidenten
Kutschma, unter dessen Regierung die unglaublichen Sachen passiert sein
sollen, längst Leviten
gelesen wurden. Zum Beispiel von
BK Schröder, der vor kurzem die ukrainische Hauptstadt mit seinem
Besuch beehrte. Gut
so! Entweder bist du in der weltweiten Koalition gegen den Terror oder
lieferst den Terroristen Panzer. Beides auf einmal geht nicht. Auch wenn
ein Rabinowitsch die Waffenlieferungen einfädelt. Übrigens
erklärte der frischgebackene Milliardär, er sei bereit, vor einem
Militärgericht seine Geschäfte durchleuchten zu lassen. Und sollte er
für schuldig befunden werden, nimmt er ein Todesurteil unwidersprochen
an. Und diesen integren Mann setzte die unmenschliche Sowjetmacht für
mehrere Jahre hinter Schloss und Riegel !
Was
aber die Beschuldigungen des Kommunisten Iljuchin angeht, sind sie
gewiss aus der Luft gegriffen. Außerdem sollte er von einer
konkurrierenden Waffenhändlergruppe instrumentalisiert werden.
Verdammt!
Wohin man auch schaut:
Waffenhändler. Wie weiße Mäuse. (Nach
SMI.Ru, 11.12.01) 3. RUSSLAND, WEISSRUSSLAND, UKRAINE xxxx DAS RUNET:KOMMT NACH SADDAM LUKASCHENKO? Im Runet wird über das nächste USA-Ziel nach dem Ende des Irak-Kriegs diskutiert. Wird es der Iran sein? Syrien? Nordkorea? Nein. Belorussland! Das Runet verweist auf die Entschlossenheit der USA, das westlichste GUS-Land in Grund und Boden zu beglücken. Im Kongress wird bereits die entsprechende gesetzliche Grundlage vorbereitet. Die Ermittlung gegen den belosrussischen Präsidenten Lukaschenko fördert seine Verbrechen zutage. Geheime Gelder. Machtbesessenheit. Grausamkeit gegenüber politischen Gegnern. Hang zum (orthodoxen) Fundamentalismus. Die Verbindungen zum islamischen Terrorismus sind noch nicht nachgewiesen. Die in einem belorussischen Sumpf versenkten Massenvernichtungswaffen auch. Aber es kommt wie das Amen in der Kirche. Zwar hat Belorussland kein Erdöl. Sein einziger Naturschatz ist die Kartoffel, die hier besonders gut gedeiht und schmeckt. Aber zur Not lässt sich die бульба auch verwerten.
Die ersten Schritte zur Befreiung des belorussischen Volkes vom Tyrannen Lukaschenko stehen bereits fest. Bereitstellung von vierzig Millionen USD für die innere Opposition in Belorussland. Weitere fünf Millionen für die Stimme Amerikas und Liberty, die USA- Hörfunksender. Mit Programmen in Belorussisch führen sie einen Informationskrieg gegen den Despoten. Wenn es keine Früchte trägt, wird an stärkere Waffen gedacht. Auch an eine Invasion unter dem Schlachtruf „Schock und Schrecken“? Der Clou dabei: Belorussland ist politisch und wirtschaftlich der mit Russland am engsten verbundene Nachfolgestaat der Sowjetunion. Es läuft ein Verfahren zur Verschmelzung beider Staaten. Wie wird Russland auf die Gefahr reagieren, sein Schützling ereile das Schicksal des Iraks? Aber was ist schon Russland... Gegen die USA ein Zwerg. Jedenfalls militärisch. 2.4.03 LEBENSLÄNGLICH? ACH, WAS!
Im Kreml herrscht darüber keine Freude. Kutschma gilt dort als passabler Gesprächspartner, der die Integration der Ukraine in die westlichen Bündnisse zwar gutheißt, doch im Unterschied zu den Oppositionsführern einem aktuellen ukrainischen Sprichwort folgt. Und dieses besagt, dass es sich nicht schickt, «поперед батьки в пекло лезть» - vor dem Stammvater in die Hölle zu kriechen. Und überhaupt: wo kommt man hin, wenn man damit beginnt, dem Präsidenten auf die Finger zu klopfen. Obwohl W.W.Putin im Unterschied zu L.Kutschma (fünfprozentiger Zuspruch in der Ukraine) drei Viertel der Russen hinter sich hat. Dagegen soll Washington die Opposition in der Ukraine unterstützen und eine weltweite Kutschma- Fahndung erwägen. Auch weil die Ukraine dem irakischen Saddam unter der Hand moderne Fliegerabwehrwaffen geliefert haben soll. 15.10.02
Mit dieser Fotomontage, die den ukrainischen Präsidenten Kutschma zeigt, leitete die Runetsite APN.ru eine sensationelle Nachricht ein. Die Regierung in Kiew soll darüber nachdenken, die Krim an Russland zurückzugeben. Die Schwarzmeerhalbinsel, im XVIII. Jahrhundert von Katharina der Großen, der Deutschen auf dem russischen Thron, der Türkei entrissen, hat Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der damalige Kremlherr Nikita Chruschtschow der Ukraine „geschenkt“. Damals war es allen ziemlich egal, da die Ukraine wie die anderen Sowjetrepubliken nur nominell als souveräner Staat galt. Jetzt ist es anders. Die Russen, die in ihr angestammtes Urlauberparadies wollen, müssen Beschwernisse in Kauf nehmen. Von der strategischen Bedeutung der Krim ganz zu schweigen. APN.ru spekuliert darauf, dass die Ukraine tief in der russischen Schuld steht. Sie schafft es nicht, die russischen Energieträger und Rohstoffe zu bezahlen. Außerdem haben es Kutschma und seine Gefolgsleute über, die Querelen auf der Halbinsel immer wieder regeln zu müssen. Die Krimbevölkerung ist nämlich heterogen: Russen, Tataren und Ukrainer. Und sie liegen einander in den Haaren.
Bei alldem: die Perle wird Kutschma doch behalten wollen. PUTIN
IST SCHLIMMER ALS STALIN Das
ist die Bilanz der qualvollen Überlegungen
des belorussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Vor einer Woche war er
in Moskau, um mit dem russischen Präsidenten über die Union zwischen
Belorussland und Russland zu
sprechen. Unerwartet erklärte
Putin dem Gast zum Abschied, das beste wäre, sein kleines Land ans
riesige Russland anzuschließen. Die Russen seien dazu bereit, die
Belorussen wohl auch. Verdutzt kehrte Lukaschenko, enfant terrible des Westens, nach Minsk
zurück. Dachte eine Woche nach. Und sagte, der Vorschlag Putins sei
beleidigend. Nicht einmal Stalin wäre so weit gegangen, Belorussland
liquidieren zu wollen. Das
Aufbrausen des selbstherrlichen Politikers
ist leicht zu verstehen. Im an Russland angeschlossenen Belorussland
hätte er wenig
Chancen. Aber auch nach dem
Bruch mit Putin nicht sehr viel. Denn viele seiner Untertanen sprechen
russisch, denken russisch, sind dem russischen Kulturkreis zugetan. Und
haben keinen Ehrgeiz, es mit dem Giganten im Osten aufzunehmen. Umso
weniger, dass 1939, bei der Aufteilung Polens zwischen dem Hitler- und
Stalinreich, der spätere Nachfolgestaat der Sowjetunion einige ehemalige
polnische Gebiete zugesprochen bekam, was manche Polen vielleicht noch
nicht verwinden können. So gesehen hat wohl Lukaschenkos Hinweis auf
Stalin einen hintersinnigen Grund. Der
Anschluss Belorussland hätte einige Probleme Russlands, wenn nicht gelöst,
dann mindestens erleichtert. Z.B. die Verbindung mit der Region
Kaliningrad (Königsberg) nach dem EU- Beitritt der Ostseestaaten. Oder
die Pipelineverlegung in den Westen. Der Anschluss würde aber auch
Nachteile bringen. Zusätzliche Spannungen zwischen Moskau und Kiew.
Zweifelhaft ist auch, dass Polen und seine westlichen Verbündeten
die Westerweiterung Russland- bei allen Vorbehalten gegen Lukaschenko-
gern sehen würden. Jedenfalls ist der Anschluss ferne Zukunftsmusik. Vorläufig
steht nur eins fest: In absehbarer Zukunft
besucht Lukaschenko Moskau nicht. Das matrjoschka-team glaubt, die
Moskauer werden es verschmerzen 22.8.02
3.SPECK UND GALUSCHKI 4.DIE LIEBEN NACHBARN AN DER OSTSEE
Eine
Stimme im Runet (Natalija Geworkjan) Im
Fahrstuhl stand mir ein junger Kerl mit blutender Nase und
blaugeschlagenem Gesicht gegenüber. „Was
auf die Nase gekriegt?“ „Nicht
nur auf die Nase.“ „Bisschen
rumgeprügelt, was?“ fragte ich, während wir zum siebten Stock fuhren. „Aus
dem Alter bin ich eigentlich raus.“ „Und,
was ist passiert?“ „Skinheads!“ „Sie
sehen doch gar nicht kaukasisch aus?“
„Ich
dachte, die haben nur den „Schwarzen“ den Kampf angesagt.“ „Vielleicht
ist es sogar besser, wenn nicht nur die „Schwarzen“ dran sind. Früher
oder später wird man sich wehren gegen diesen allgemeinen Hass. Und Sie,
verzeihen Sie, haben Sie keine Angst?“ Ich
drehte mich zum Spiegel um. Aus der Sicht der Skins steht mir mein Urteil
auf dem Gesicht geschrieben. Doch ginge es nur um sie. Es geht um den
Hass. Der ist allgegenwärtig, auf allen Ebenen.
Und
aus diesem Hass heraus verlangten die Menschen auf der Straße, den
Vertretern der russischen Machtzentrale folgend, Sakajews Auslieferung.
Schuldig oder nicht schuldig, das spielt keine Rolle. Wenn es um
Tschetschenen geht, stellt sich diese Frage nicht. Sie sind schuldig. A
priori. Seit
Sakajews Festnahme in Kopenhagen vor knapp einem Monat überschlugen sich
die Hasstiraden, weil die Dänen ihn nicht auslieferten. Klar,
an uns hängt ein schlimmes Erbe. Bei uns applaudierte das ganze Land, als
die Helden der Revolution plötzlich zu englischen oder japanischen
Spionen erklärt wurden. Jetzt reagiert
die Bevölkerung genauso. Wie vor siebzig Jahren. Ihr wurde gesagt,
Sakajew ist ein Terrorist und muss in unserem Gefängnis sitzen. Und
niemand fragt nach Beweisen. Alle glauben, was gesagt wird und regen sich
auf über die Dänen, die aber bei Putins drohendem Blick nicht in
Ohnmacht fallen. Sicher,
Sakajew ist bestimmt kein
Lamm Gottes. Aber ich weigere mich, einen Menschen zu beschuldigen, dessen
Schuld noch nicht bewiesen ist.
Ich gehöre nicht zu denen, die nach Blut schreien, ohne Beweise zu fordern. DAS KREUZ MIT DER EINWANDERUNG Muss auch Russland tragen. Ein Nachfolgestaat der Sowjetunion und, wenn man weiter zurück in die Geschichte geht, des Zarenreiches, hat es ohnehin einen beträchtlichen Anteil von Einwohnern (etwa ein Fünftel), die nicht zur russischen Ethnie zählen. Obwohl weitgehend zum russischen Kulturkreis gehörend, sind sie von der Abstammung her Nachkommen einst mächtiger tatarischer und mongolischer Völker, die sich vor Jahrtausenden zwischen der Wolga und dem Ural ansiedelten und vor Jahrhunderten vom Russischen Reich allmählich einkassiert wurden. In der Sowjetzeit war es kein spektakuläres Problem, denn ob Russe, Tatare, Tschuwasche oder sonst wer, alle standen gleichermaßen unter dem Kuratel der Staatsmacht und durften nicht aufmucken. Jetzt drängen die kleineren Ethnien der Russischen Föderation zu mehr Autonomie, was nicht gerade zur Stabilität beiträgt. Trotzdem lässt sich wohl das Zusammenleben regeln, bis auf den Extremfall Tschetscheniens im Nordkaukasus. Viel mehr trouble verspricht die illegale Einwanderung aus den ehemaligen Randrepubliken der Sowjetunion nach Russland. Das Wort „Randrepublik“ darf nicht zur Annahme verleiten, es gehe hier um Marginalen, um eine nebensächliche Größe. Immerhin gehörte dazu ca. die Hälfte des Staatsgebietes und der Bevölkerung der ehemaligen Sowjetunion. Die Wendezeit nutzten die Randrepubliken, um souverän zu werden. Aber vielen Mittelasiaten und Kaukasiern stößt die Souveränität sauer auf. Der Abbruch der eingependelten Wirtschaftsbeziehungen (und viel anderes mehr) wurde zur Ursache einer Armut und Arbeitslosigkeit in ihren Ländern, die sie, zur Sowjetzeit oft sogar ein wenig wohlhabender als die Russen, so nicht kannten. Und jetzt wollen sie nach Russland, um hier ihr Glück zu suchen. Und führen gewissermaßen den Sieg der Unabhängigkeit ad absurdum. In welchem Ausmaß es geschieht, verriet in diesen Tagen der russische Präsident Putin. Allein in Moskau halten sich zwischen 600.000 und 700.000 Bürger „einer“ , wie er sich ausdrückte , transkaukasischen Republik auf. Vermutlich meinte er Aserbaidschan. Sehr handelstüchtig und miteinander eng verflochten, machen die Aseris in Moskau so manch gutes Geschäft, aber nur 12 (zwölf!!!)) sind beim Finanzamt angemeldet. Die deutsche Behörde wäre sicherlich vollzählig wahnsinnig geworden, könnte sie in Berlin lediglich 0.002 Prozent der nichtdeutschen Bevölkerung erfassen. Die ungebetenen Gäste unterliegen der Meldepflicht. Das stört sie wenig. Zwar wird die Anmeldung nur dann rechtskräftig, wenn der Fremde einen Wohnraum aufweisen kann. Aber Putin gab zu, dies sei kein Hindernis für die Einwanderung. So haben sich in einer 9,5 m² großen Wohnung 450 Einwanderer angemeldet. Die Meldepflicht, die in der Sowjetzeit den Normalverbraucher zeitlebens an seinen Wohnsitz kettete, ist zur Farce geworden. Die Zeitbombe der Globalisierung auf postsowjetisch tickt. Placiert in der Vergangenheit, bedroht sie frei nach Putin die Zukunft der Russischen Föderation. Wenn in ihren Zentren ein großer und immer größer werdender Teil der Bevölkerung praktisch im gesetzesfreien Raum lebt, heißt es, dass das ohnehin um sich greifende Chaos einem apokalyptischen Zustand entgegensteuert. Was tun? Darauf hat der russische Präsident nicht überzeugend genug geantwortet. Er mahnte Gesetzesänderungen an. Nur fragen sich die Russen, wer dafür sorgen soll, dass die neuen Einwanderungsgesetze auch eingehalten werden. Die korrumpierte Polizei? Die Armee, die bereits im kleinen Tschetschenien weitgehend versagt? Es geht immerhin um Millionen hartgesottener Menschen, die um ihr Überleben fürchten müssen. Die
„Überfremdung“ – wie ungern
das anrüchige Wort man in den Mund nimmt, in dem Falle ist es wohl am
Platze- hat russische
Skinheads auf den Plan
gerufen. Sie veranstalten Pogrome, zumeist dort, wo die
dunkelhäutigen Gäste Geschäfte tätigen. Z.B. auf den
Lebensmittelmärkten in Moskau. Die Zahl der Misshandelten und Getöteten
steigt. Polizei und Gerichte greifen wenig beherzt ins Geschehen
ein. Offensichtlich hofft man, so die Einwanderung
zu drosseln. Auf eine Weise, die Nebenwirkungen hat. Für
die geistige Gesundheit
eines Volkes bekanntlich sehr relevante Nebenwirkungen. Unter
Umständen auch für seine Nachbarn. 3.02.02 ZEHN JAHRE GUS Fürs russische Ohr klingt das deutsche Kürzel nicht ganz respektvoll. „GUS“ ist im Russischen „die Gans“. Und die Gans empfinden die Russen als einen dummen Vogel, obwohl auch mit einer gewissen Schläue ausgerüstet. „Gus laptschatyi“. „Eine Gans bist du mit Tapsen“, sagt man einem Menschen, der zwar dämlich, aber auch durchtrieben ist. Doch was soll’s? Das russische Kürzel für die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten heisst „SNG“. Das klingt mindestens neutral. In diesen Tagen wird die Gans mit breiten Tapsen zehn Jahre alt. Eine Jubiläumstagung fand bereits statt. Eigentlich vorzeitig. Der Zerfall der Sowjetunion, von dem ersten russischen Präsidenten Jelzin herbeigeführt, damit er seine Macht wenigstens in Russland ausbauen konnte, wurde erst Ende Dezember 1991 perfekt. Die GUS ist das Kind des Zerfalls. Leider kein Wunderkind. Das Wunder eines für alle Beteiligten ersprießlichen Zusammenlebens auf einer neuen Grundlage kündigte sich nicht an. Früher gab es zwar auch kein schönes Zusammenleben, da der Kreml die Unionsrepubliken wie ein mittelalterlicher Fürst seine Lehensgüter behandelte. Der Zwang fiel weg. Aber das, was kam, waren Anarchie und Querelen. Die GUS sollte vor allem die gemeinsame Interessensphäre vor den Gelüsten der Nachbarn schützen. Bis hier und keinen Schritt weiter, hieß das Signal. Es wurde aber nicht richtig wahrgenommen. Allmählich gab der Kreml auf. Der westlichen Expansion stellt er sich nicht mehr entgegen. Auch weil die ehemaligen Teilstaaten nun mehrheitlich einen reichen fremden Paten dem alten älteren Brüder vorziehen. Zumal die ehemaligen Kommunistenfunktionäre, die jetzt in den selbständig gewordenen Teilstaaten als Präsidenten (auf Lebenszeit) herrschen, keine Heimtücke des Westens mehr fürchten. Sie haben sich überzeugt, dass dieser sehr tolerant sein kann. Zwar rügt er ab und zu die autoritären Regimes wegen Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung der Bürgerfreiheiten, legt sich deswegen aber nicht ins Zeug. Im Laufe der zehn Jahre versuchte der Kreml mehrmals, seinen Einfluss in den ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion auszubauen. Das kostete Russland Geld, da es manches Notwendige (Erdöl, Erdgas) weit unter dem Weltmarktpreis lieferte. Erreicht wurde wenig. Die Verteidigungsbündnisse erwiesen sich als sinnlos. Erst recht jetzt, wo die USA und die Türkei im ehemaligen sowjetischen Mittelasien und in Transkaukasien mitunter mit Kremlszustimmung ihre Militärstützpunkte einrichten und die Flugplätze nach dem NATO- Standart umbauen. Und nach der wiederholten Verkündung des Kreml, mit der NATO enger kooperieren zu wollen, meinen die ehemaligen Brüder, was dem Jupiter erlaubt ist, darf auch den Ochsen nicht verwehrt werden. Wenn Russland auch jetzt die GUS als seine Interessensphäre sieht, dann äußert es sich vornehmlich auf eine im Westen durchaus übliche Art und Weise. So werden Öldollars für den Kauf von Betrieben in den ehemaligen Bruderrepubliken eingesetzt. Insbesondere in der Ukraine, wo Tschernomyrdin, kein erfolgreicher Diplomat, dafür aber ein gewiefter Geschäftsmann russischer Botschafter wurde. Die USA machen das auch nicht viel anders. Das Peinliche ist, dass in den ehemaligen Sowjetrepubliken mehrere Millionen Russen zu Hause sind. Ihr Schicksal ist mitleiderregend. Präsident Putin versprach Ihnen mehr Schutz und, wenn erwünscht, auch eine freundliche Aufnahme im Land der Vorfahren. Aber das sind wohl nur gutgemeinte Absichtserklärungen. Russland hat wenig Trümpfe in der Hand, um die ehemaligen Landsleute zu unterstützen. Sie, die sehr viel und mitunter fast umsonst für die Zivilisierung der ehemaligen Randgebiete der Sowjetunion geleistet haben, müssen jetzt die Folgen eines Hasses tragen, den sie nicht verschuldeten. Am zehnten Jahrestag der GUS muss Russland wohl die letzte Hoffnung begraben, in der Region, die flächen- und bevölkerungsmässig mit ihm durchaus zu vergleichen ist, die Weichen zu stellen. Auch wenn in den Jubiläumsreden die bittere Wahrheit durch starke Worte bemäntelt werden sollte. 11.12.01 KANN EIN TATARE EIN RUSSE SEIN? In einem Interview teilt Polit.ru mit, ein langjähriger Streit sei entschieden. Der Streit darüber, ob in russischen Personalausweisen die ethnische Zugehörigkeit des Bürgers vermerkt werden soll. Also, der Streit über den ominösen "Punkt 5." (Punkt 1.im Ausweis: der Nachname, Punkt 2.:der Vorname, Punkt 3.: der Vatersname, Punkt 4. : wann und wo geboren). Der Streit hat eine lange Vorgeschichte. In den Ausweisen des zaristischen Russlands stand nicht die ethnische, sondern die konfessionelle Zugehörigkeit. In den Ausweisen Sowjetrusslands in den ersten Jahren nach der Revolution 1917 stand weder das eine noch das andere. Es hieß, nicht die konfessionelle, geschweige denn ethnische Zugehörigkeit sei wichtig, sondern einzig und allein die soziale (ob Arbeiter, Bauer oder ein Vertreter der "Ausbeuterklasse"). Unter Stalin wurde aber die ethnische Zugehörigkeit (ob ein Großrusse, Ukrainer, Usbeke u.s.w.) in den Ausweisen vermerkt. Mit höchst relevanten Folgen, da bestimmte Ethnien mit der Zeit immer mehr diskriminiert wurden. Vor allem diejenigen, die im Ausland stark vertreten waren oder gar einen eigenen Staat hatten: Juden, Deutsche, Griechen, Koreaner, Chinesen u.s.w. oder auch diejenigen, die sich nach dem Urteil der Regierung illoyal verhalten hätten: Tschetschenen, Kalmyken u.s.w. So erhielt Punkt 5 eine große, mitunter ausschlaggebende Bedeutung für die soziale Stellung des Ausweisinhabers. Mit einem "falschen" Punkt 5 hatte er kaum eine Chance, Diplomat oder Geheimpolizist oder Minister zu werden, es war für ihn von vornherein schwierig, einen begehrten Studienplatz oder das Wohnrecht in Moskau oder die Genehmigung für eine Auslandsreise zu erhalten. Eingedenk der Vergangenheit votierten viele im postsowjetischen Russland dafür, Punkt 5 abzuschaffen. Dagegen stemmten sich aber Angehörige von Dutzenden nichtslawischer Völker Russlands, vor allem die an der Wolga: Tataren, Baschkiren, Udmurten u.s.w. (die nichtslawischen Völker machen etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung der Russischen Föderation aus). Das erwachte, bzw. sich verstärkende Volksbewusstsein ließ sie dafür streiten, dass die jeweilige ethnische Gemeinschaft nicht dadurch geschwächt wird, dass ihre Glieder sich als solche nicht ausweisen können. Außerdem hängen Zuwendungen der Zentralregierung an die ethnisch definierten Autonomien davon ab, wie zahlreich die entsprechenden Ethnien sind. Der vorläufige Kompromiss zwischen den Befürwortern und Gegnern des Punkt 5 läuft darauf hinaus, die ethnische Zugehörigkeit zwar nicht in Ausweisen, aber doch in Geburtsurkunden zu vermerken. Will jemand beweisen, er sei der ethnischen Herkunft nach ein Tatare oder ein Jude, holt er seine Geburtsurkunde. Will er aber seine ethnische Herkunft nicht ins Spiel bringen, bleibt es bei seinem Ausweis, wo diese nicht vermerkt ist. Also, keine sowjetische Lösung, die den Bürger festnagelte, aber auch keine deutsche, die- wenigstens was die Geburtsurkunden und Ausweise angeht- die ethnische Herkunft außer Acht lässt. Ob aber die Entscheidung bestehen bleibt, ist noch ungewiss. Die Russen (als "Russländer" gemeint, also auch keine Großrussen) sind erst auf der Suche nach ihrer Identität. Und in manchen Köpfen wird die sowjetische Vergangenheit immer stärker verklärt. Einschließlich die für die Sowjetzeit typische Diskriminierung von bestimmten Ethnien. Zum Schluss eine wahre Anekdote. Ein in Moskau bekannter Spaßmacher verlor seinen Ausweis und reichte ein Ersuchen um Wiederherstellung ein. In den Fragebogen trug er unter Punkt 5 das Wort "Iudei ein), was im zaristischen Russland die mosaische Konfession bezeichnete. Da der zuständigen Beamtin der Begriff nicht mehr geläufig war, las sie die Eintragung als "Indei". Sie hatte einen "Inder" im Hinterkopf.So stand es auch unter Punkt 5 im neuen Ausweis des Antragstellers. Mit der Zeit aber bekam er, da der Ausweis in der Sowjetunion bei jedem, auch unbedeutenden Behördengang, vorgelegt werden musste, Probleme. Die Staatsbediensteten schüttelten den Kopf und verlangten Aufklärung. So beantragte der Spaßmacher die Änderung durch "Jewrei" ( russisch - der Jude). Pusteblume! Einmal eingetragen, durfte die Nationalität (im sowjetischen Wortgebrauch ethnische Zugehörigkeit) nicht geändert werden. So lebte und starb der Mensch als "indei", als Inder. 15.4.01 6. TRANSKAUKASIEN KAUKASUS In der Berliner Residenz der Friedrich- Ebert- Stiftung fand eine Tagung zum Thema „Krisenregion Südlicher Kaukasus. Perspektiven und die Möglichkeiten für die deutsche und europäische Politik“ statt. Die
Teilnahme hochrangiger Diplomaten aus Aserbaidschan, Armenien und
Georgien, wie auch aus Deutschland sicherte eine umfassende Behandlung des
brandaktuellen Themas. Ohne auf einzelne Referate einzugehen, sei erwähnt,
dass der südliche Kaukasus, obwohl für
Deutschland und Europa insgesamt von herausragendem Interesse, vor allem
ein Interessengebiet Russlands ist. Und
zwar nicht nur seit der Zeit, als das kaspische Erdöl in den Mittelpunkt
der Begehrlichkeit der internationalen Ölkonzerne rückte. Armenien und
Georgien, die ältesten Domänen der orthodox- christlichen Zivilisation,
und Aserbaidschan, das, obwohl islamisch, bei den russischen Zaren auch
Schutz vor den Osmanen und Persern suchte, waren Jahrhunderte lang nicht
einfach Teile des Russischen Reiches. Sie
trugen viel zu seiner geistigen, wirtschaftlichen und politischen
Entwicklung bei. Selbst
die Namensliste der Staatsmänner, Kulturträger und Wirtschaftsmanager
Russlands verrät, welche Rolle den Südkaukaukasiern
in der russischen Geschichte zufiel, und zwar von den weit zurückliegenden
Zeiten bis zu den sowjetischen und postsowjetischen Jahren. Auch jetzt
sind die souverän gewordenen transkaukasischen Republiken
mit Russland durch unzählige Fäden verbunden. Sie zu zerreißen,
kann nur derjenige wollen, der keine Stabilität und keinen Fortschritt in
einer der empfindlichsten Regionen der Welt anstrebt. Dieser
Aspekt des behandelten Themas verdient
besondere Beachtung. Die im Kaukasus besonders notwendige europäische Solidarität darf nicht den
egoistischen Interessen einzelner europäischer Staaten zum Opfer fallen.
Es wäre konterproduktiv,
würden die europäischen Länder,
Russland eingeschlossen, die alten Rivalitäten wieder entstehen
lassen. In diesem Fall lacht der Dritte. Und zwar
eine außereuropäische Macht, die
im Kaukasus am wenigsten zu suchen hat. Die Vereinigten Staaten von
Amerika. In Georgien sind sie bereits nicht einfach stark anwesend,
sondern üben auch
entscheidenden Einfluss auf den Gang der Dinge aus. Sinnvollerweise
sind die meisten Referenten auf die blutigen ethnischen Konflikte im
Kaukasus eingegangen, der Heimat
unzähliger, zum Teil ganz unterschiedlicher Völker. Dabei wurde nicht
verheimlicht, dass die uralten
Fehden, die nicht nur den Fortschritt der Region hemmen, sondern auch
die internationale Lage verschärfen, mitunter aus dem Ausland
angeheizt werden. Es ist eine wichtige Quelle der Spannungen im Kaukasus,
und zwar nicht nur in und um Tschetschenien. Es geht dabei sogar um mehr als den Kaukasus, wie wichtig er auch sein mag. Es geht um den Versuch, die Konflikte im Kaukasus zu instrumentalisieren, um die einkehrende politische und wirtschaftliche Stabilität und die territoriale Integrität Russland aus den Angeln zu heben. Es geht also um etwas, was den existenziellen Interessen Deutschlands und des gesamten Europas entgegenläuft. Es bleibt zu hoffen, dass die anspruchsvolle Tagung der Friedrich – Ebert - Stiftung dieser Erkenntnis und somit auch der Vorbeugung der Unstimmigkeiten unter den Europäern beigetragen hat. 1.7.03 EIN NEUER KRIEGSHERD IM SÜDEN ? Das Runet bejaht die Frage. Definitiv. Es geht dabei nicht um einen eventuellen Angriff der USA auf den Irak, sondern um einen russischen auf die transkaukasische, ehemals sowjetische Republik Georgien. Auch wenn sich die Maßstäbe gewaltig unterscheiden, da Russland keine militärische Supermacht mehr ist. Und die Georgier sind keine martialischen Jünger des Propheten. Trotzdem haben die beiden Vorgänge etwas Gemeinsames. Die vorgeschobenen Kriegsgründe, zum Beispiel: Abwehr des Terrorismus. Im Falle Georgien- tschetschenischen Ursprungs. Die Terroristen aus dem nordkaukasischen Ländle und ihre Gesinnungsgenossen aus dem Nahen Osten nutzten, wie die Russen behaupten, georgische Bergschluchten als Stützpunkte. Tiflis akzeptiere es und führe Russland mit leeren Versprechen an der Nase herum, das Übel bekämpfen zu wollen. Monatelang tauschen Russen und Georgier harte Vorwürfe aus. Jetzt hat der russische Präsident das Pünktchen aufs I gesetzt. Tun die Georgier gegen die auf ihrem Gebiet sich einnistenden Tschetschenen im Laufe des nächsten Monats nichts, übernehmen die russischen Truppen die Aufgabe. Ohne viel Federlesen. Der georgische Staatschef Schewardnadse erklärte darauf, Putin hätte ein Eigentor geschossen. Er meinte sicherlich, Georgiens Freunde werden dem Kremlchef die Leviten lesen. Jedenfalls die USA. Und Deutschland, dessen Wiedervereinigung Schewardnadse noch als Außenminister der Sowjetunion begünstigt hat. Ohne übrigens, wie viele meinen, dabei die russischen Interessen im Auge zu behalten. Schewardnadse kann sich arg täuschen, meint das Runet. Die USA würden ihn opfern, wenn Russland mehr Verständnis fürs amerikanische Vorgehen gegen den Irak zeigt. Um Saddams Kopf zu bekommen, lässt Washington Schewardnadses Kopf rollen. Und Deutschland? Sicherlich ist ihm der Russe Putin jetzt näher als ein Georgier, der in seinem eigenen, verhältnismäßig kleinen Staat heftig umstritten ist. Die Konflikte, sowohl der im Nahen Osten, als auch der im Kaukasus, stinken penetrant nach Erdöl. Auch wenn Georgien keine eigenen Quellen hat, spielt es im Hasardspiel um das kaspische Erdöl mit. Als sein Umschlagplatz. Die Holzpuppen sind traurig. Die Georgier, Italiener des Kaukasus, haben im Team einen Stein im Brett. Zwar sind sie ein wenig zu laut, geben gern an, aber auch ritterlich und lustig. Und haben dicke russische Weiber gern. Wie auch umgekehrt. Jahrhunderte
lang verstanden sich die Russen
gut mit den Georgiern, einem alten christlich- orthodoxem Volk. Und
jetzt soll die alte Freundschaft in
die Brüche gehen? Wegen des übel riechenden Saftes der Erde? Oh,
tempora, oh, mores! 12.9.02 BRICHT EIN KRIEG ZWISCHEN RUSSLAND UND GEORGIEN AUS? Hoffentlich nicht, denn das wäre ein schlimmer Traditionsbruch. Das transkaukasische Georgien war (fast) immer mit Russland eng verbunden. Wie das andere transkaukasische Land Armenien seit uralten Zeiten christlich- orthodox, suchte es im christlich- orthodoxen Norden Beistand gegen seine muslimischen Nachbarn im Süden (Osmanen, Persen) und stieß immer auf Gegenliebe in Russland. Georgische Fürsten waren am Petersburger Hof willkommen, georgische Krieger bekleideten hohe Posten in den russischen Streitkräften. Zwar hätte es nicht sein müssen, dass ein Georgier namens Dschugaschwili (alias Stalin) Russland dreißig Jahre mit eiserner Hand regieren durfte, aber auch diese Ungeheuerlichkeit zeugte von der Verbundenheit Russlands und Georgiens. Seit Jahren aber knirscht es in den Beziehungen. Moskau und Tbilissi tauschen geharnischte diplomatische Noten aus. Die georgische Luftabwehr ortet Flugzeuge „unbekannter Herkunft“ im georgischen Luftraum. Tbilissi wirft russische „Schutztruppen“ aus dem georgischen Hoheitsgebiet. Ihrerseits beklagen sich die Russen darüber, dass die tschetschenischen Separatisten, laut russischer Sprachregelung „gemeine Banditen“, in den Bergen, die Georgien von Tschetschenien trennen, mit Duldung und sogar Wohlwollen Tbilissis Unterschlupf finden. Das ist tatsächlich nicht schön, weil Tschetschenien ein Teil der Russischen Föderation ist. Tbilissi aber wirft Moskau vor, die abchasischen Separatisten zu begünstigen, die Georgier aus ihrem schönen Ländle an der kaukasischen Schwarzmeerküste vertrieben zu haben. Auch das ist nicht schön, weil Abchasien staatsrechtlich ein Teil Georgiens ist. Ein Knäuel! Und wenn man noch die Verwicklung beider Länder in den fast weltweit geführten Kampf um das kaspische Erdöl dazu zählt... Der Ärger wird dadurch größer, dass Georgien zum Zankapfel zwischen den Mächten aus dem atlantisch- europäischen Raum geworden ist, die das Erbe der verblichenen Sowjetunion im Kaukasus antreten wollen. Vor allem werden die USA in Georgien militärisch und politisch immer stärker präsent, aber auch Deutschland richtet seinen Blick in dieselbe Richtung. Laut Auskunft des CDU- Experten und früheren Verteidigungsministers Volker Rühe gehört Georgien zur Interessensphäre Deutschlands. Übrigens meinte das schon Friedrich der Grosse, der mit dem georgischen Zaren einen Freundschafts- und Beistandspakt schließen und sogar eine Visite nach Tbilissi antreten wollte, aber der Georgier favorisierte doch die Russen. Die Deutschen waren ihm zu weit weg. Jetzt sind sie aber dank moderner Verkehrsmittel militärisch viel näher gerückt. Und politisch? Na ja, Georgien wird (noch) von Eduard Schewardnadse regiert, der seine Deutschfreundlichkeit in der Zeit, als Helmut Kohl um die deutsche Einheit rang, als russischer Außenminister mit einer Großzügigkeit unter Beweis stellte, die viele Fragen offen ließ. Die
neueste Zuspitzung der russisch-georgischen Beziehungen wurde
wieder durch Missbrauch des georgischen Hoheitsgebiets durch
Tschetschenen hervorgerufen. Diesmal ist der Konflikt so scharf, dass
das Rätselraten über die
Zukunft der russisch- georgischen Beziehungen sogar die Variante eines
Waffenganges nicht
ausschloss. Einen netten Strich fügte dem eher besorgniserregenden Bild
Präsident Putin hinzu. Er zeichnete
einen georgischen Schafshirten mit einem hohen russischen Orden
aus, der den Russen wertvolle Hinweise über die Bewegungen der
Tschetschenen in den georgischen Bergen gegeben haben soll. Putin
meinte, die Heldentaten des Hüters der Schafe zeugten davon, dass die
Georgier die Russen wie eh und je gerne haben. Wollen wir es hoffen. DER WESTEN WILL DEN KAUKASUS... Meint der Vizepräsident der russischen Akademie der geopolitischen Probleme Leonid Iwaschow, immerhin ein Drei- Sterne- General. Er dozierte darüber in einem Interview der Runetzeitung „Strana.ru“. Zu dem Zeitpunkt, als die Spannung an der Grenze zwischen Russland und Georgien, einem traditionsreichen transkaukasischen Staat, erneut gewachsen ist. Vertreter der georgischen Geheimdienste beschuldigen Russland, seine Truppen Richtung Georgien zu verlegen. Ihrerseits berichten die russischen Medien vieldeutig, dass die USA das Mehrfache der eigenen georgischen Militärausgaben verwenden, um die Streitkräfte Georgiens aufzumöbeln. Gleichzeitig appelliert Georgien an die USA, EU und UNO, Russland zu bremsen. Nicht ohne Erfolg. Das Durcheinander, wie es mitunter einem in Aussicht genommenen Krieg vorweg geht, ist perfekt. Der erwähnte Leonid Iwaschow spricht von heimtückischer Strategie des Westens. Sie sei darauf gerichtet, zwischen Russland und dem Kaukasus, Jahrhunderte lang ein Bestandteil des russischen, dann des sowjetischen Reiches, entgültig einen Keil zu treiben. Nach der Auslotung der riesigen Erdölvorkommen am Kaspischen Meer nahm der Wert des Kaukasus zu. Wer in der Region das Sagen hat, entscheidet, wohin das kaspische Erdöl fließt. Deswegen rückte der Kaukasus in den Mittelpunkt der Weltpolitik. In diesen geopolitischen Kontext stellt Iwaschow alles, was im Kaukasus passiert: der Krieg in Tschetschenien, die separatistischen, zum Teil auch terroristischen Aktivitäten in den anderen nordkaukasischen Autonomien der Russischen Föderation. Und den sich verschärfenden Konflikt zwischen Russland und Georgien, einst einer Sowjetrepublik, jetzt unabhängig. Der geopolitisierende General klagt die russische Regierung an, die Lage zu verharmlosen und keine Gegenstrategie entwickelt zu haben. Den georgischen Präsidenten Schewardnadse, der als Außenminister der Sowjetunion viel zur der Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen hat, bezichtigt Iwaschow, ein Doppelspiel zu spielen. Obwohl Schewardnadse besser Heute als Morgen Georgien der NATO zuführen würde, unterstütze er insgeheim die tschetschenischen Terroristen. Er weiß wohl, was dem Westen wichtiger ist, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus oder der ums Erdöl. Als das abschließende Ziel der Übung bezeichnet Iwaschow den Untergang der Russischen Föderation. Nach der Beseitigung der Sowjetunion sei jetzt Russland an der Reihe. Und wenn sich die Russen nicht richtig wehren, sei es um ihren Staat geschehen. Die Logik des russischen Generals Iwaschow. Eines a.D. PS. Gefragt um seine Meinung zum obenstehenden Bericht, wies der geopolitische Experte des matrjoschka-Konzerns, Iwan Matrjoschlin, Esq., auf die im Runet kolportierte Meldung hin, der Kreml wolle seine schützende Hand von Saddam Hussein nehmen. Wir opfern den USA den Kopf von Saddam, die USA opfern uns den Kopf von Schewardnadse, sagte er gewichtig. Da er aber dabei vernehmlich einen Bierdunst ausströmte, entschließ sich der Matrjoschka- Rat, seine Expertise als unverantwortliche Spinnerei abzutun. 31.8.02 EINE
KRISE DER RUSSISCHEN AUßENPOLITIK... ...macht
die Runetzeitung Polit ru. aus. Die Unheilzeichen: der Präsident
Georgiens Schewardnadze
verlässt "das sinkende Boot". Er bietet dem Westen sein Land an,
Washington schert sich einen Dreck um die russischen Einwände gegen die
Aufkündigung der Raketenrüstungskontrolle, Bagdad nutzt Moskau zynisch
für eigene Zwecke aus. Куда
ни
кинь,
везде
клин,
wie die Russen sagen, wenn sie eben eine schlimme
Lage markieren wollen. Ein Sprichwort übrigens, das sich nicht
dechiffrieren lässt. Vielleicht stammt es aus der Urzeit, als die
Russen noch auf den Bäumen saßen. Wie die Deutschen auch.
Wie dem
auch sei, verbindet Polit.ru mit
der nach ihrer Meinung jämmerlichen Verfassung der russischen Außenpolitik
die Reise des russischen AA-Chefs Igor Iwanow nach London. Da die Engländer
den kürzesten Draht zu Washington haben, sucht er dort nach Rat und
Tat. Quatsch,
meint Polit.ru. Die russische Außenpolitik, wie sie vom AA gestaltet
wird, hat sich selbst erledigt, da sie viel mehr beansprucht, als
durchsetzbar ist. Zum Glück hat Russland auch eine andere,
realistischere Außenpolitik. Diese wird nicht auf dem Smolenskaja
ploschtschadj gemacht, wo das monströse Werk der stalinschen Zuckerbäckerarchitektur,
die Residenz der russischen Diplomatie, steht, sondern im Kreml, wo Präsident
Putin seinen Sitz hat. Putin
biegt das gerade, was Iwanow krumm gemacht hätte. So beruhigte Putin
Tbilissi,
indem er sagte, Georgien ist souverän und darf selbst über seinen
Standort entscheiden. Wenn es die
Amis ins Land holen will, soll es ruhig. Aber
Putin steht unterm Druck. Einerseits des Militärs, das von einer
Fortsetzung der Großmachtpolitik mehr Geld für die Streitkräfte
erwartet. Andererseits der Provinz, die auch im Trüben fischen möchte.
So verspricht Bagdad ihr neue riesige Aufträge (für 60 Milliarden
USD). Die Lieferungen würden mehreren
Regionen in Russland ( in etwa mit den Bundesländern in Deutschland
vergleichbar) aus dem Schneider helfen. Daher müht sich ihre Lobby
in Moskau, weitere politische Zugeständnisse an den Irak
durchzusetzen, ohne Rücksicht
auf das Ansehen Russlands im Westen. Anm. von matrjoschka: Wie wir prognostizierten, ist Außenminister Igor Iwanow in Berlin unverantwortlichen Spekulationen über sein Verhältnis zu Präsident Putin entschieden entgegengetreten. Das geschah im russischen Palais in Berlin, wo er die deutsche Ausgabe seines Buches über die Grundlagen der russischen Außenpolitik vorstellte. Auf die Frage einer minderbemittelten russischen Journalistin eingehend, erinnerte der Außenminister daran, dass nach der russischen Verfassung der Präsident die außenpolitische Richtung des Landes vorgibt. Im Übrigen, betonte er, wird die von ihm als Außenminister realisierte Politik von der großen Mehrheit der russischen Bevölkerung unterstützt. Eine
klare Sprache, die auch wir führen. Obwohl Holzpuppen. Mehr dazu auf
dem Link der 21.-
22.03.02 |